Schlechte neue Welt

Puccini: Madama Butterfly an der Oper Athen

Opernwelt - Logo

Kein Zweifel ist möglich: Dieser Pinkerton strahlt die Präpotenz von Macht und Geld mit jeder Pore seines Seins aus. Seine Untergebenen der Marine maßregelt er knapp jenseits der Grenze der Erniedrigung, die Kopie des über den Heiratsvermittler Goro (Yannis Kalyvas) abgegebenen Eheversprechens zerreißt er direkt nach der Unterschrift in kleine Schnipsel, Suzukis Fächer zertrümmert er aus einer Laune heraus. Und da seine militärische Aufgabe in Japan kaum irgendwelche Herausforderungen zu bieten scheint, nimmt er zu jeder Tageszeit einen kräftigen Schluck aus der Whiskeyflasche.

Derart enthemmt, ist ihm längst der letzte Rest an Respekt vor der fremden Umwelt abhandengekommen, in der er für begrenzte Dienstzeit zu Gast ist: Als ihr Onkel Bonze (Petros Magoulas) seine Nichte Cio-Cio San dafür geißelt, den Glauben ihrer Vorväter durch ihre Hochzeit mit dem Eindringling aufgegeben zu haben, und sie folglich aus der Familie verstößt, haut ihm der frischgebackene Ehemann mal eben den traditionellen Kopfschmuck von Haupt. Schlechtere Manieren kann ein Leutnant der United States Navy kaum besitzen, transkulturelle Kompetenz ist ein Fremdwort für ihn.

Das Image der Stars and Stripes hat ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2023
Rubrik: Panorama, Seite 48
von Peter Krause

Weitere Beiträge
Glaube, Liebe, Hoffnung

Aus Furcht vor der Welt da draußen ins Kloster fliehen zu wollen, ist nicht zwingend ein ratsamer Entschluss. Entweder wird man in solchem Fall nicht aufgenommen oder von seinen Ängsten eingeholt. Warum also Madame de Croissy, die Priorin des Karmelitinnen-Konvents von Compiègne bei Paris, die weltflüchtige Blanche de la Force dennoch ins Kloster eintreten lässt,...

Pioniertat

Seit der Antike weiß man es: «Habent sua fata libelli» – Bücher haben ihr Schicksal. Ein Schicksal haben auch Opern. Und selten ein gutes, wenn sie berühmten Büchern folgen. Als Lorin Maazels «1984» vor 18 Jahren an Londons Covent Garden uraufgeführt wurde, fielen die Kritiken ungnädig aus. Man stieß sich an U-musikalischen Einsprengseln, daran, dass die Oper nicht...

Das gegenwärtige Leben

Der wichtigste Moment in der Aufführung von Bellinis «Norma» am Stanislawski-und-Nemirowitsch-Dantschenko Musiktheater ist der, als Regisseur Adolf Schapiro beispielhaft die in Moskau vorherrschende Stimmung beschreibt: Oroveso, im Kampfanzug in einem Rollstuhl sitzend, erinnert das Publikum daran, dass bald der Moment kommen wird, an dem der Widerstand gegen die...