Ohne Häkeldeckchen

In Frankfurt zeigen Sebastian Weigle und Katharina Thoma, in Regensburg Tom Woods und Johannes Pölzgutter, was in Flotows «Martha» steckt

Die deutsche Spieloper: ein Schmerzenskind. Sogar der ehemals so beliebte Lortzing ist mit Werken wie «Der Wildschütz» oder «Zar und Zimmermann» ein seltener Gast auf den Bühnen. Kreutzers «Nachtlager in Granada» und Nesslers «Trompeter von Säckingen» werden seit Generationen gemieden, selbst ein Meisterwerk wie Nicolais «Lustige Weiber» hat es schwer – sicher nicht nur wegen des Verdi’schen «Falstaff», der freilich in eine andere Liga gehört, wie auch Cornelius’ «Barbier von Bagdad» und Wolfs «Corregidor».

Die «echte» Spieloper bedient eine Mischung aus Leichtigkeit und Sentimentalität. Das missbehagt ambitionierten Theatermachern, die als milde Erziehungsdiktatoren auf ihr Publikum blicken oder, wenn sie schon Unterhaltung kredenzen, lieber aufs zeitgemäße Musical rekurrieren. Spieloper – das klingt nach Oma, nach Häkeldeckchen.

Hinzu kommen Aufführungsprobleme, wenn sich etwa internationale Sänger durch die deutschen Dialoge quälen. Zumindest diese Kalamität entfällt bei Friedrich von Flotows «Martha», einem durchkomponierten Stück, bei dem sich schier «natürlich» eine Nummer an die andere reiht und Arien die Handlung ebenso voranbringen wie Chöre, Duette, Quartette (alles auch ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Dezember 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Hans-Klaus Jungheinrich

Weitere Beiträge
Revue zwischen Suppenbüchsen

Als «rätselhaftes Kindvolk, das immer übergroß sein will, während es den Rest der Welt in Grund und Boden grinst» hat Peter Sloterdijk (etwas hochmütig?) die Amerikaner apostrophiert. Das passt genau auf die Legende vom kraftmeiernden, zugleich gutmütig-verschmitzten Riesen Paul Bunyan, der mythischen Figur eines Holzfällers aus den Wäldern Minnesotas – Symbol...

Unter Segel

Theaterhäuser gehören schon relativ lange zur Geschichte Australiens – doch dass es Freiluftaufführungen nach europäischem Modell gibt, ist eine Entwicklung neueren Datums, einfach, weil es in der Regel zu heiß ist. In der Premiere von Alan Johns «Sydney Opera House» – der ersten Neuinszenierung dieser «Oper zur Oper» (1995), jetzt auf dem Vorplatz derselben...

Paris, mon amour

Die Schlange, Urgrund allen Übels. Langsam windet sie sich über die Wählscheibe der Pariser Telefonzelle, ihr klein-gefährlicher Kopf, auf zwei schwingende Tücher über der Szene projiziert, ist in Großaufnahme zu sehen. Später wird die Versucherin über die auf dem Bett sinnende Margarethe gleiten, der Nachbarin Marthe hängt sie beim Flirt mit Mephisto um den Hals....