Mit den Augen eines Kindes
Dieser Don Carlos ist schon ein seltsamer Kronprinz: Muskulös, im T-Shirt und mit schwarzer Fönfrisur, sieht er aus wie ein ragazzo di vita aus Filmen von Pier Paolo Pasolini. Und während er inmitten von Verdis Liebes- und Staatsaktion immer auf der Bühne weilt, scheint er doch fast unbeteiligt in seiner eigenen Welt zu leben. Es ist die Welt eines Todkranken, der auf sein Leben zurückblickt – aber auch die Welt eines Kindes, das sich nach Zuneigung und Zuwendung sehnt, die ihm von seinem stur auf die Macht und ihre starren Regeln fixierten Vater, König Philipp II.
, permanent verweigert werden. In diesem kühlen Herrscherkalkül will sich Carlos einfach nicht zurechtfinden. Stattdessen hat er sich in kindlichen, von Schmutz und Blut unbefleckten Bilderwelten eingerichtet.
Der belgische Bildhauer und Installationskünstler Hans Op de Beeck lässt im Antwerpener Opernhaus naive Landschaften mit Wäldchen, Burgen und Bogengängen (für das Kloster San Yuste) als Videos vorbeilaufen, Carlos verschiebt vergitterte Kinderzimmerbetten, selbst beim grausamen Autodafé im dritten Akt ist keine Verbrennung der Ketzer zu sehen, sondern ein Skulpturenpark mit überdimensionalem Spielzeug im ...
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Opernwelt November 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Michael Struck-Schloen
Florenz, die Heimatstadt Machiavellis, war schon immer Schauplatz fataler politischer Fehden. Der Maggio Musicale Fiorentino, das älteste, 1933 gegründete Opernfestival Italiens, bildet da keine Ausnahme. Aktuell steht das Unternehmen bei Dienstleistern und Gastkünstlern, bei Banken und beim Fiskus mit insgesamt 57 Millionen Euro in der Kreide. Während der letzten...
Assoziativ verbindet man mit dem Vornamen Karl zunächst einmal Großes. Doch auch das Widerspiel ist möglich. Etwa beim von Helmut Qualtinger so grandios gezeichneten Präzedenzfall aller Opportunisten, dem Herrn Karl, einem begnadeten Teilhabeverweigerer, der sich stets, wenn er Unglücks ansichtig wird (und sehr aktuell), mit «Karl, du bist es nicht …» aus der...
Der Weg der neueren Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität.» Als der österreichische Dramatiker Franz Grillparzer 1849 diese düstere Prognose stellte, konnte er nicht ahnen, welch grausige Wirklichkeit diese schon ein gutes halbes Jahrhundert später gewinnen würde: «Die letzten Tage der Menschheit» sah denn auch der Wiener Satiriker Karl...
