Massenet: Werther
Die verengende Transposition von Goethes epochalem Briefroman aus dem Jahr 1774 in das schlichte Handlungsschema einer «Literaturoper» eröffnete der Musik neue Weite: Räume der Seele und gewiss auch des Körperlichen in üppiger Fin-de-Siècle-Pracht. Neben der Fassung mit einem Tenor in der Titelpartie sah Massenet in einer weiteren Version einen Bariton als Werther vor. Nachdem das Wiener Festival KlangBogen beide Lesarten gegenüberstellte, folgt nun auch die Brüsseler Aufführungsserie diesem Muster (Tenor und Bariton alternieren).
Ludovic Tézier verstand es bei der Premiere, den leicht verwegenen und psychisch nicht ganz stabilen Sturm- und Drang-Literaten vorzüglich zu beglaubigen. Wie eine Rokokofigur, empfindsam-bescheiden, dann wieder frühbürgerlich emanzipiert, schwebt Charlotte durchs Stück: morgenfrisch und energisch die Mezzosopranistin Jennifer Larmore, mit wohldosierter Intensität und Geschmeidigkeit. Zusammen sorgen sie für intensive Intimität und Theatralik im kurzen Augenblick des vom Tod bedrohten Liebesglücks.
Guy Joostens Produktion ist durchgängig in einem Biedermeier-Winkel angelegt, den Johannes Leiacker aus einer mit großen glatten Platten verkleideten Ecke ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
«Dieses Libretto halte ich, was Erfindung und Poesie betrifft, für mein bestes: wollüstig, ohne lasziv zu sein, fesselte es das Publikum ... von Anfang bis Ende.» So Lorenzo Da Ponte in seiner Autobiografie. Allein schon diese selbstbewusste Einschätzung müsste neugierig machen auf Vicente Martín y Solers Dramma giocoso «L’arbore di Diana», das im Oktober 1787...
Die Wiederkehr von Jacques Fromental Halévys «La Juive» auf die internationale Opernszene ist untrennbar mit dem Namen Neil Shicoff verbunden. Der amerikanische Tenor hat den Eléazar erstmals 1999 in Wien gesungen und die Rolle des zwischen der Liebe zu seiner Ziehtochter Rachel und dem Hass auf die Christen zerrissenen Juden seither an vielen großen Opernbühnen...
Ein Aufruf zur Stille ist immer gut. Auch Angelo Polizianos Auseinandersetzung mit dem Orpheus-Stoff beginnt mit einem «Silenzio». Irgendwie ist dieses Gebot bezeichnend für die gesamte Aufführung des Ensembles «La Compagnia dell’Orpheo» unter Francis Biggi. Durchweg siegt die Kunst des Diskreten. Es ist eine Musik, die über weite Strecken ohne Forte auskommt, in...