In Schönheit sterben
Die Frage stellt sich immer wieder: Kann man Händels Oratorien als Musiktheater behandeln? Oder sind sie doch auf der Konzertbühne besser aufgehoben? Dass seine späten Werke – und dazu gehört «Theodora» – bühnentauglich sind, bewies Peter Sellars 1996 in Glyndebourne auf unvergessliche Weise. Die biblische Erzählung wurde bei ihm zum allgemeingültigen Drama. Dawn Upshaw, David Daniels und Richard Croft, auch Lorraine Hunt, wuchsen über sich hinaus. Auch damals dirigierte William Christie. Alle fanden gemeinsam zu einer atemraubenden Intensität.
Sellars’ Interpretation setzt bis heute Maßstäbe. Hohe Maßstäbe. Stephen Langridges Version am Théâtre des Champs-Elysées ist ihnen nicht gewachsen. Das Problem dieser Neuproduktion: Eine Deutung bietet sie eigentlich gar nicht an. Der englische Regisseur (zur Zeit Chef der Göteborger Oper) beweist guten Geschmack und viel Feingefühl, arrangiert das Geschehen ästhetisch ansprechend. Als die Christen erschossen werden, sieht sogar der Blutfleck an der Wand noch gut aus. Kalt über den Rücken läuft es einem nicht. Der Aufführung fehlen Fleisch und Leben, Ecken und Kanten – alles, was für dramatische Spannung sorgen würde, auch: für ein ...
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Opernwelt Dezember 2015
Rubrik: Panorama, Seite 47
von Christian Merlin
Ein grauer Oktoberabend. Monteverdi. Die Toccata aus «L’Orfeo». So geht es los im Berliner Festspielhaus. Zwei Musiker aus Kinshasa spielen die berühmte Melodie. Auf einer E-Gitarre der eine, auf dem Daumenklavier, einer Likembe, der andere. Hinten, vor einer goldgelben Kettengardine, sind alle möglichen Percussion-Instrumente aufgebaut – Xylofon, Woodblocks,...
Alessandro Stradellas «La Doriclea» hat eine recht bewegte Geschichte hinter sich. Der Dreiakter wurde erst 1938 von dem Rieter Organisten Mario Tiberti entdeckt – und galt nach dem Zweiten Weltkrieg schon wieder als verschollen. Trotzdem gab es 2004 im Rahmen eines Festivals bei Siena ein konzertantes Revival auf Grundlage einer Transkription, die Tiberti einst...
So scharf, so farbensatt, so leuchtend hat man den Plafond der Garnier Oper noch nie gesehen. Das Debussy-Feld mit dem schwarzen Haar Mélisandes und dem goldgekrönten Kopf König Arkels. Den fetten, grünweiß gefiederten Feuervogel, der grinsend über dem Märchenprinzenpaar aus Strawinskys Ballett schwebt, das hier 1910 uraufgeführt wurde. Den blauen Reiter, der mit...