In eine andere Richtung gehen

Lateinamerikas Opernrepertoire harrt eines neuen Kolumbus. Zu entdecken ist vor allem das Œuvre von Alberto Ginastera. Seine drei Musikdramen locken mit saftigen Sujets, prächtigen Orchester- und Vokalpartien

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Es sieht fast so aus, als falle die lateinamerikanische Operngeschichte in das Fachgebiet der Architektur. Denn wirklich berühmt sind allein zwei Häuser: das Teatro Amazonas in Manaus und das Teatro Colón in Buenos Aires. Und sie sind nicht für die dort gespielte Musik berühmt.

Im brasilianischen Manaus erklang fast 100 Jahre lang überhaupt keine Oper; in Buenos Aires gab es zwar zahlreiche Aufführungen europäischer und einheimischer Werke, aber der Mythos «Colón» knüpft sich eher an die fantastische Akustik des Hauses, an eine selbst für argentinische Verhältnisse außergewöhnliche Klientelpolitik und Finanznöte ohne Ende. Generaldirektoren kamen und gingen nach dem Drehtürprinzip, die 1500 Mitarbeiter hatten vorzugsweise ihre Unkündbarkeit bis zum Jüngsten Tag im Auge. Künstlerisch ereignete sich, abgesehen von europäischen Importen, wenig Bedeutsames.

Das Colón ist das steingewordene Symbol des Landes, in dem es steht, ein tragikomisches Miniatur-Argentinien, maßlos und unregierbar, über Jahrzehnte den wechselnden Autoritäten hoffnungslos ausgeliefert. Es war kein Zufall, dass das größte Bühnenwerk des nationalen Repertoires, Alberto Ginasteras «Bomarzo», hier Schiffbruch ...

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Opernwelt Juni 2017
Rubrik: Im Focus, Seite 20
von Volker Tarnow

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