Im Spinnennetz Fortunas
Der Versuch des Theaters Osnabrück, Jaromír Weinbergers vergessene Oper über Wallenstein, den bekanntesten Heerführer des Dreißigjährigen Krieges, für die Bühne zurückzugewinnen, besaß zwei starke Momente – den schockhaften Beginn und das quälende Ende. Den Anfang setzt nicht die Musik, sondern unter ohrenbetäubendem Sirenenalarm ein optisches Zitat – die «stumme Kattrin» aus Brechts «Mutter Courage», eine junge, in einem Einkaufswagen hockende Frau, die sich, eine Militärtrommel auf den Knien, in panischer Angst die Ohren zuhält.
Am Ende senkt sich der riesige Rundspiegel herab, den Timo Dentler über die apokalyptische Kriegsszenerie gewuchtet hat. Zu den Klängen eines dumpfen Trauermarschs sehen wir den zuvor unsichtbar in der Unterbühne ermordeten Wallenstein, sich wie im tödlichen Netz einer Spinne – zusammen mit uns selbst, dem Publikum – spiegeln. In diesen wenigen Minuten besaß der ansonsten zäh dahinfließende Abend bannende Aktualität.
Die Stückwahl war naheliegend und konnte dennoch nicht überzeugen. Der tschechische Jude Weinberger gehört zu den zahlreichen Künstlern, deren Werke der NS-Diktatur zum Opfer fielen. Seine Erfolgsoper «Schwanda, der Dudelsackpfeifer» ...
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Opernwelt August 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 24
von Uwe Schweikert
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Herr Scholl, frei nach Udo Jürgens: «Mit 55 Jahren …»
(lacht und singt) Mit 55 Jahren, da fängt das Leben an …
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Nun ja, der Bariton ist in meiner Kehle immer ein Fremdkörper gewesen. Ich habe im Kiedricher Knabenchor angefangen zu singen, dem zweitältesten Knabenchor Deutschlands, und meine Countertenorstimme ist die...
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