Gut gemeint reicht nicht
«Amerika, du hast es besser», schwärmte schon Goethe. Voltaire hätte das ebenso bestritten wie Leonard Bernstein, der aus dessen «Candide» ein – ja, was eigentlich machte? Ein Musical? Eine Revue? Ein Lustspiel mit Musik? Als «comic operetta» wollte er die Satire auf die Leibniz’sche These verstanden wissen, dass das ganze Menschenglück auf Erden zu finden sei.
Wirklich glücklich geworden ist Bernstein allerdings mit dem Stück nicht: Seit der Uraufführung am Broadway 1956 (noch vor der «West Side Story») bastelte er an den Musiknummern herum, bestellte bei Stephen Sondheim, John La Touche, Dorothy Parker, Lillian Hellman und sich selbst immer neue Texte – noch kurz vor seinem Tod nahm sich Bernstein die Story des Candide wieder vor, der von Westfalen über Lissabon und Paris nach Buenos Aires, Eldorado und Venedig reist und überall Katastrophen erlebt.
Anders wird der aus Nazi-Deutschland nach Amerika geflohene Immigrant Kurt Weill über Goethes Stoßseufzer gedacht haben: Für den jüdischen Kantorensohn aus Dessau begann in den USA ein neues Leben, die Arbeit am Broadway empfand er als künstlerische Berufung. Dass er «Street Scene» (1947), jenen sozialen Bilderbogen, für den Elmer Rice ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt August 2011
Rubrik: Magazin, Seite 63
von Albrecht Thiemann
Zum Abschluss der an entdeckerischem Wagemut wahrlich nicht armen Saison wartete die Oper Frankfurt mit zwei weiteren Premieren abseits des üblichen Repertoires auf. Beide Stücke, Marc-Antoine Charpentiers «Médée» und Aulis Sallinens «Kullervo», spielen in mythischer Vorzeit, also heute. Beide Male, in der 1693 uraufgeführten Barockoper wie in der fast genau...
Was wären wir ohne Silke Leopolds Bücher über Monteverdi und Händel, ohne ihren monumentalen Überblick zum musikalischen Theater des 17. Jahrhunderts? Unter den vielfältigen Forschungsinteressen der Heidelberger Musikwissenschaftlerin nimmt die frühe Operngeschichte besonderen Raum ein. Eine ihrer zentralen und vielsträngig verfolgten Beobachtungen ist, dass Musik...
Marc Minkowski hat gerade an zwei aufeinanderfolgenden Abenden Meyerbeers «Les Huguenots» dirigiert – jeweils vier Stunden Musik, mit Pausen sogar fünf Stunden – und wirkt im Gespräch danach so frisch, als sei es ein Leichtes, gleich das nächste Dirigat vorzubereiten. Seine Entscheidung für die selten gespielte Oper ist in mehrerer Hinsicht logische Konsequenz...