Genau beobachtet

Puccini: La fanciulla del West
München | Bayerische Staatsoper

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Einen Filmregisseur für eine Inszenierung von «La fanciulla del West» einzuladen, ist naheliegend, enthält Giacomo Puccinis Oper aus dem Jahr 1910 doch alle Topoi des zeitgleich entstehenden Filmwestern. Dabei bedient Andreas Dresen diese Topoi an der Bayerischen Staatsoper keineswegs. Keinen Saloon hat ihm der Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau gebaut, sondern das, was der buchstäblich wilde Westen nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg der Jahre 1846 bis 1848 war: ein kapitalistisch zu erschließender Unort am Rande der zivilisierten Welt.

Inspiriert von einem Dokumentarfilm über Bergwerker im gegenwärtigen Kriegsgebiet Donbass, versammeln sich hier Randexistenzen, wie sie Dresen häufig auch ins Zentrum seiner Filme gerückt hat: viele einsame Männer – und eine Frau, Minnie, die im zweiten Akt in einer kargen, sauber gehaltenen Wellblechhütte wohnt. Der Filmregisseur kommt klar mit dem, was wichtiger und schwieriger ist als das Westernambiente: Puccinis Sozialrealismus. In vielen genau beobachteten Details zeichnet er ein Milieu, wenn etwa manche der harten Jungs zur Bibelstunde mit Minnie verschämt ihre Mützen abnehmen, während andere entspannt weiterrauchen. Kinder sind ...

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Opernwelt Mai 2019
Rubrik: Panorama, Seite 47
von Michael Stallknecht

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