Fremde in der Nacht
Über die Frage, was der Mensch sei, haben sich Legionen von Dichtern und Denkern das Hirn zerdrückt. Immerhin eines aber konnte konstatiert werden: Die Krone der Schöpfung ist der homo sapiens sapiens, wie es wissenschaftlich korrekt heißt, vermutlich eher nicht. Auch kein Schwein, wie der (charakterlich zweifelhafte, lyrisch große) Gottfried Benn vermutete. Schweine haben grosso modo einen besseren Charakter als Menschen. Hinfällig hingegen sind beide Gattungen, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen: Das Schwein wird vom Menschen geschlachtet, dieser ist gebrechlich von Natur aus.
Das erkannte auch Giacomo Badoaro, als er das Libretto für Claudio Monteverdis spätes Dramma per musica «Il ritorno d’Ulisse in patria» verfasste. Also schuf er sogleich eine dazu passende Figur: L’humana fragiltà. Am Deutschen Nationaltheater Weimar erscheint diese vor dem Eisernen Vorhang als ein Subjekt der Verzweiflung. Vergeblich versucht der Countertenor Georg A. Bochow, während er singend klagt («Salvo è niente dal mio dente»), Wasser aus dem Hahn einer Stele herauszupressen. Doch da ist nichts. Kein einziger Tropfen. Sein Wissen darum, «ein sterblich’ Ding zu sein», offenbart sich in dieser ...
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Opernwelt Januar 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Jürgen Otten
So leicht ist Leonora nicht zu entführen: Wenn Luna sie am Ende des zweiten Teils mit seinen Soldaten dem Kloster entreißen will, greifen erstmal die Nonnen selbst zum Colt. Zu heikel wird den geistlichen Damen das Ganze erst, als auch noch Manricos Mannen in Cowboykluft die Bühne stürmen. Ein für Peter Konwitschny typischer V-Effekt, der das Melodramatische in...
63. Jahrgang, Nr 01
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Der Urknall gebiert erdfernen Nebel, aus dem Sterne und Galaxien in den Raum schießen. Die Videoprojektion während des Vorspiels zu Richard Wagners «Tristan und Isolde» am Nationaltheater Mannheim scheint die Tragödie des liebenden Paares zu einem kosmischen Weltendrama zu machen. Doch als sich der Vorhang hebt, landet man nach diesem Sehnsuchtsflug durchs All in...