Erfrischend «normal»

Zum Tod des charismatischen Baritons Franz Grundheber

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Am Beginn des neunten Lebensjahrzehnts stand er noch als Barak, sogar als Holländer auf der Bühne, stets bestaunt von der Operngemeinde: In diesem Alter noch solche Monsterpartien? Franz Grundheber dürfte auf solchen Zuspruch zwiegespalten reagiert haben. Ja, eine solche Spätestkarriere empfand er als ungewöhnlich, äußerte sich darüber auch selbstironisch. Und trotzdem wollte er nicht bestaunt werden als Bariton-Dino, als intaktes Fossil. Im fortgeschrittenen Karrierestadium zehrte er von seiner reflektierten Technik, von seinem Rolleninstinkt und von seinem wetterfesten Material.

«Mit allen Farben und Schattierungen eine Geschichte erzählen», das stand für ihn ganz oben. Heißt: Schönklang, das vokale Posieren, das Sich-Laben an Linien und Tönen waren seine Sache nicht. Und trotzdem schaffte es Grundheber, der 1937 in Trier zur Welt kam, über das deutsche Fach hinaus engagiert zu werden: als Macbeth, als Scarpia, als Simon Boccanegra, sogar als Rigoletto an der Met. Vergleichbares schaffte nur Josef Metternich.

Ob Italienisches oder Deutsches: Grundheber entwickelte seine Porträts aus dem Wort, ohne ins Deklamieren zu driften. Er hatte einen phänomenalen Instinkt für die ...

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Opernwelt November 2025
Rubrik: Magazin, Seite 77
von Markus Thiel

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