Endlich frei
Mariettas Kleid in sonnig strahlendem Orange (bunte, auch romantisch blaue Blumen sind darauf gedruckt) erzählt ausdrücklich von der hellen Seite des Lebens. Und doch gleicht es aufs Haar dem Gewand einer Toten: ihrer «Vorgängerin», Pauls verstorbener Frau Marie, die (in Gestalt der jungen Tänzerin Natalie Kien) in jenem betongrau gruftig-düsteren Verlies haust, das so sehr der Keller des Besitzers wie dessen Seelenraum zu sein scheint.
Ausstatter Oliver Helf hat Mariettas Abstieg ins «untere Stockwerk» streng tiefenpsychologisch gelesen; dieser führt in die seelischen Abgründe des Protagonisten Paul, der sich in die lebenslustige-kokette Künstlerin zumal, verguckt hat und damit doch nur allzu menschliche Projektion betreibt: Die potenzielle Neue an seiner Seite soll tunlichst der Verblichenen gleichen. Sogleich legt er Marietta (Sara Gartland mit drahtig hellem Sopran) Maries weißen Schal um die Schultern, was die sich auch gefallen lässt, noch nicht ahnend, auf welche Erlösungsmission sie sich im Falle des Herrn einlassen wird. Denn dieser Paul (Vincent Wolfsteiner meistert die heldentenoral heikle Partie bewundernswert furchtlos) bewahrt Bildnis und Locken seiner Marie wie ...
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Opernwelt Januar 2024
Rubrik: Panorama, Seite 47
von Peter Krause
Die Wege zur Liebe sind, wie die Wege der Liebe selbst, häufig verschlungen. Auch bei Jean Anouilh, den wir vor allem als «Übersetzer» des antiken Antigone-Stoffes kennen. Sein Poem «Les Chemins de l’amour» beweist, wie gewandt der Dramatiker auf diesem Gebiet war, und so verwundert es wenig, dass Francis Poulenc die Verse zu einer Mélodie für Gesang und Klavier...
Bis vor Kurzem war die wechselvolle Geschichte der französischen Tragédie en musique zwischen dem Tod ihres Schöpfers Jean-Baptiste Lully 1687 und ihrer Erneuerung durch Jean-Philippe Rameau mit seiner ersten, 1733 uraufgeführten Oper «Hippolyte et Aricie» ein schwarzes Loch. Jean-Jacques Rousseaus polemische Bemerkung, es handle sich dabei um «minderwertige...
Manchen Werken der Musikgeschichte wird bescheinigt, sie würden den Geist einer Epoche konservieren. Mit Blick auf die wieder sehr in Mode gekommenen 1920er-Jahre mag das auf George Gershwins «Rhapsody in Blue» zutreffen, mit ihrem wilden Amalgam aus Jazz, Blues und klassischer Symphonik, oder auch auf dessen Tondichtung «An American in Paris», wo der Komponist...
