Ein Traum in Chamois
Kein Grieseln und Grausen, überhaupt kein finsterer Hexenwald wie im Märchen. Es ist ja auch keines.
Humperdincks «Königskinder» (im Schatten des so viel populäreren Stücks «Hänsel und Gretel») können ja nicht leben, glücklich bis an ihr Ende, sie sterben einen elenden Kältetod, und sei er noch so betörend überglänzt von Verklärungsmusik und Kinderchor! Es ist ein tieftrauriges Stück, das die Märchenfiguren – die Unschuld einer Gänsemagd und den Königssohn, der sein Königsein nicht erben, sondern sich verdienen will – in die verdorbene Welt jenseits des Zauberwalds schickt; in die Vorhölle von Hellastadt, wo Habgier, Egoismus und Feindseligkeit regieren, wo die Menschen nach dem Tod ihres alten Königs auf einen neuen warten und blind bleiben für den rechten, auch als er zu ihnen kommt. Ein König, der erstmal dienen will in der Wirtschaft, und eine aus dem Wald entlaufene Gänsemagd, das geht gar nicht, das muss weg. Nur die Kinder Hellastadts erkennen die Wahrheit. Das «Wehe! Wehe!» der Gänsemagd, als die Furcht sie zuerst abhält, mit dem fremden Königsmenschen aus ihrer Welt wegzulaufen und er das nicht versteht: Es klingt wie ein Nachhall des finalen «Weh!» in Wagners «Lohengrin», ...
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Opernwelt 12 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Holger Noltze
Jedes Jahr im Dezember sind Wolfgang Amadeus Mozarts «Die Zauberflöte» und Engelbert Humperdincks «Hänsel und Gretel» die beliebtesten Werke überhaupt. Deshalb präsentieren wir eine Übersicht der Aufführungstage aller laufenden Inszenierungen dieser beiden Stücke im Dezember (im deutschsprachigen Raum) in Form eines liebevoll und nur für Sie gestalteten, quasi...
Einen einzigen Kuss nur, «un sol bacio», wollen die Kerle erhaschen. Und das geht, weil das Entsetzen darüber explodiert, bei Mozart alles andere als gemächlich ab. Hier, im ersten Finale, rast das Bühnenpersonal musikalisch sogar davon – und lässt Vladimir Jurowski mit dem Bayerischen Staatsorchester hinter sich zurück. Kann bei einer Premiere schon mal passieren....
Sind das Wasserleichen, die da in diesem riesigen, hellen und mit kühlem Nass befüllten Kubus liegen? Langsam beginnen diese Wesen, sich – choreografisch wohlsortiert kreisend – in ihrem Element zu wälzen, breiten die Arme aus und lassen sie auf die Oberfläche platschen. Später bilden sie allerhand Knäuel und Klumpen, ihre Körper scheinen miteinander zu...
