Ein-Blicke Juli 2021
Duisburg
«Romeo und Julia»
Wer Charles Gounods Vertonung des Shakespeare-Stoffes im Ohr hat, wird sich selbiges einigermaßen verwundert reiben. Diese Musik ist ganz anders: spröder, kühler, distanzierter, ja man könnte sagen: verschrobener. Und das mit Grund: Der Komponist heißt Boris Blacher, sein Stück stammt aus dem Jahr 1943. Und entheroisiert das Sujet grundlegend. Alle romantische Gefühlsseligkeit ist suspendiert, es dominiert ein schroffer, sarkastischer Dialogton.
Das Opus entpuppt sich als ironischer Werkkommentar, als eine Art Palimpsest mit sperrigen Widerhaken. Entsprechend distanziert ist die Inszenierung. Schon während des Prologs tritt ein Narr in historischen Frauenkleidern an die Rampe, um uns auf das Folgende vorzubereiten. Sein Tonfall ist spöttisch, und so ist es auch der des Chores, der in antikisierender Art auf der höher gelegenen Galerie erscheint, um von dort das Drama unten zu betrachten und zu «bewerten». Die Gesten sind sparsam, das Interieur strahlt eine Nüchternheit aus, die jedes Pathos negiert. Und auch die beiden Protagonisten kommen sich nie so nahe, dass man befürchten müsste, sie würden einander wirklich berühren. Alles ergeht sich in Statik, ...
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Opernwelt Juli 2021
Rubrik: Focus Spezial, Seite 28
von Jürgen Otten
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Das Stück? Im Grunde unspielbar. Ein Ungetüm mit 50 Personen, in seiner Urgestalt elf Stunden lang, mehr geschichtsphilosophisches Opus summum seines Schöpfers, bis zum Bersten gefüllt mit katholisch grundierter Anschauung und durchdrungen von jenem feu sacré, das auch die anderen Theatertexte Paul Claudels erleuchtet. «Le Soulier de satin», zwischen 1919 und 1923...
