Anja Harteros als Maddalena di Coigny (mit Tim Kuypers als Mathieu) in «Andrea Chénier» an der Bayerischen Staatsoper München; Foto: Bayrische Staatsoper/Wilfried Hösl

Die Unfassbare

Sie selbst hält sich für «’n bisken trockän». Das ist ehrlich und kokett zugleich. Als rheinische Frohnatur mag die im Bergischen verwurzelte «Sängerin des Jahres» nicht durchgehen. Aber Humor hat Anja Harteros sehr wohl. Annäherungen an eine Künstlerin, deren Charakterporträts unter die Haut gehen

Sie kann in wenigen Tönen das vollständige Psychogramm eines Charakters zeichnen. Schmerzhaft schön, bestürzend klar. Ob an der Bayerischen Staatsoper als Maddalena in Giordanos «Andrea Chénier» und als Elisabeth in «Tannhäuser» oder als Sieglinde in der «Walküre» der Salzburger Osterfestspiele. Anja Harteros ist eine Künstlerin, die mit der Stimme Figuren neu zu erfinden scheint.

Wie der Tenor Matthias Klink: Auch sein berückendes Aschenbach-Porträt in der Stuttgarter Produktion von Brittens «Death in Venice» verdankt sich nicht nur außerordentlicher Bühnenpräsenz, sondern einer bis in die kleinste Nuance ausgeloteten vokalen Gestik

Normalerweise müsste sie jetzt im Gerichtssaal stehen, vor dem Tribunal der Revolution, den falschen Zeugen, den geifernden Aktivisten. Doch dieser Maddalena gehört eine andere Bühne. Am Tisch sitzt sie, in einer engen Kammer, Gérard gegenüber. Ihm allein, dem sie sich aus verzweifeltem Entschluss hingeben will, rollt sie ihr Schicksal auf: der Tod der Mutter, «la mamma morta», das brennende Haus der Kindheit, das Verlassensein, die tödliche Gefahr. Und schließlich die Rettung nicht durch eine Person, sondern durch «l’amor». Denn so spricht die ...

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Opernwelt Jahrbuch 2017
Rubrik: Sängerin und Sänger des Jahres, Seite 16
von Markus Thiel

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