Anja Harteros als Maddalena di Coigny (mit Tim Kuypers als Mathieu) in «Andrea Chénier» an der Bayerischen Staatsoper München; Foto: Bayrische Staatsoper/Wilfried Hösl
Die Unfassbare
Sie kann in wenigen Tönen das vollständige Psychogramm eines Charakters zeichnen. Schmerzhaft schön, bestürzend klar. Ob an der Bayerischen Staatsoper als Maddalena in Giordanos «Andrea Chénier» und als Elisabeth in «Tannhäuser» oder als Sieglinde in der «Walküre» der Salzburger Osterfestspiele. Anja Harteros ist eine Künstlerin, die mit der Stimme Figuren neu zu erfinden scheint.
Wie der Tenor Matthias Klink: Auch sein berückendes Aschenbach-Porträt in der Stuttgarter Produktion von Brittens «Death in Venice» verdankt sich nicht nur außerordentlicher Bühnenpräsenz, sondern einer bis in die kleinste Nuance ausgeloteten vokalen Gestik
Normalerweise müsste sie jetzt im Gerichtssaal stehen, vor dem Tribunal der Revolution, den falschen Zeugen, den geifernden Aktivisten. Doch dieser Maddalena gehört eine andere Bühne. Am Tisch sitzt sie, in einer engen Kammer, Gérard gegenüber. Ihm allein, dem sie sich aus verzweifeltem Entschluss hingeben will, rollt sie ihr Schicksal auf: der Tod der Mutter, «la mamma morta», das brennende Haus der Kindheit, das Verlassensein, die tödliche Gefahr. Und schließlich die Rettung nicht durch eine Person, sondern durch «l’amor». Denn so spricht die ...
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Opernwelt Jahrbuch 2017
Rubrik: Sängerin und Sänger des Jahres, Seite 16
von Markus Thiel
Herr Dorny, ich kenne kein anderes Opernhaus, in dem so viele junge Leute im Publikum sitzen wie in Ihrem. Wie haben Sie das erreicht?
Als ich ankam in Lyon, 2003, machte das Abonnement 85 Prozent des Kartenverkaufs aus, die Auslastung lag damals bei 87 Prozent. Was bedeutet: Über die Abonnenten hinaus kauften sich nur wenige Leute Opernkarten. Ein solides...
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Der Boom war alles andere als Zufall: Mit Kurzopern setzten sich Komponisten des 20. Jahrhunderts polemisch gegen die ausladenden Riesenwerke der Wagner-Nachfolge samt ihrer Bedeutungsträchtigkeit und Klangopulenz ab, frei nach der Devise des jungen Brecht: «Glotzt nicht so romantisch!» Diesem Postulat folgte auch Ernst Křenek, als er Mitte der 1920er-Jahre die...