Die barocke Nähmaschine läuft
Es war ein politisches Großereignis, als Maria Theresia, Infantin von Spanien, Louis, den Dauphin von Frankreich, heiratete, Ende 1744 in Madrid wie Anfang 1745 in Versailles. Obwohl zum ersten Termin noch der Ehemann fehlte, weil Louis sich, was nicht unüblich war, bei seiner eigenen Hochzeit vertreten ließ: An der Repräsentation wurde nicht gespart, mithin auch nicht an der Oper.
Also vertonte Francesco Corselli, Kapellmeister der spanischen Hofkapelle, erneut Pietro Metastasios «Achille in Sciro», geschrieben acht Jahre zuvor für die Hochzeit einer bekannteren Maria Theresia – nämlich der von Österreich. Weithin populärer ist auch die Oper, die das endlich vereinte Brautpaar zwei Monate später in Versailles zu hören bekam: Jean-Philippe Rameaus «Platée», darin eine hässliche Nymphe, gespielt von einem Tenor in Frauenkleidern, aus den Sümpfen dahergelaufen kam. Dass Jupiter höchstpersönlich eine Scheinehe mit ihr einging, dürfte den Abend für die spanische Infantin wohl kaum amüsanter gemacht haben. Schließlich wurde die Handlung allgemein als Anspielung darauf verstanden, dass der französische Thronfolger sie eher aus politischen denn aus optischen Gründen geheiratet hatte. ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt April 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Michael Stallknecht
Oper trifft auf Clubkultur – kreative Reform oder Höhepunkt der Gentrifizierung? In Kooperation mit dem Neuköllner Rollbergkiez brachte die Komische Oper Berlin nun ein Festival für modernes Musiktheater ins Areal der ehemaligen Kindl-Brauerei, wo heute unter anderem der beliebte SchwuZ-Club residiert.
Viel Subkultur wagte das als experimentierfreudig bekannte...
Am Anfang das (stumme) Rauschen des Wassers, in Form eines von Céline Baril auf die sandfarbenen Mauern von Babylon projizierten Videos. Am Ende das leise Gebet zum Schein der Kerzen, ein vielstimmiges «Amen». Dazwischen: die Hölle auf Erden. Händels «Belshazzar» in der Halle E des Wiener Museumsquartiers ist nichts für Kulinariker, die in barockoratorischen...
Der kleine Amor hat spürbar Lust auf diesen Abend. Zu den ersten Takten des Vorspiels klettert er aus den Tiefen des Bühnenbodens herauf, richtet die Kissen und zieht beim übergroßen Himmelbett die Gardinen zu für das, was wir im Orchestergraben ohnehin schon deutlich hören: den Liebesrausch zwischen der Marschallin und ihrer jugendlichen Amour fou Octavian. Nicht...