Das Lehman-Prinzip
Nichts ist so, wie es zunächst scheint», so pointiert Russell Hepplewhite die Handlung seiner Kammeroper «The Crash», die im Februar 2024 als Auftragswerk im Oldenburgischen Staatstheater uraufgeführt wird. Damit charakterisiert der britische Komponist zugleich das darin thematisierte (Schein-)Wesen des weltweiten Finanzmarktes. Prominentestes Beispiel der jüngeren Vergangenheit: die skandalträchtige Pleite der Lehman Brothers im September 2008.
Die Devise «Verkaufen, was andere kaufen müssen» war das Erfolgsrezept der drei fränkischen Lehmann-Brüder, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Alabama als Zwischenhändler für den prosperierenden Baumwollhandel installierten. Anderthalb Jahrhunderte später stand ihr Name über einer der weltweit größten Investmentbanken der Wall Street – und wurde zum Synonym für eine schwere Finanzkrise, die nicht nur tiefe Spuren hinterließ, sondern als «Lehman 2.0» aktuell wieder Fahrt aufnimmt. «The Crash» spielt darauf an, ohne dass der Name Lehman fällt. Den amerikanischen Bühnenund Drehbuchautor Seth Bockley interessierte vor allem das zugrundeliegende «Lehman-Prinzip», sprich: «die innere Verrottung eines einst ehrwürdigen Instituts durch ...
ZUKUNFTSMUSIK
Das «unmögliche Kunstwerk» Oper lebt, allen Unkenrufen zum Trotz. Als Beleg mögen abseits der Pflege des kanonischen Repertoires auch und vor allem jene Stücke dienen, die sich mit der Tradition der Gattung auseinandersetzen, dabei aber neue Wege beschreiten. Um solche Werke des Musiktheaters soll es in dieser Rubrik gehen: um Uraufführungen, in denen neue Narrative kreiert werden und die Form selbst auf dem Prüfstand steht, zugleich aber auch jene Rezeption gefragt wird, die sich mit der Wiederholung überlieferter Deutungsmuster begnügt. Zu Wort kommen Komponistinnen und Komponisten, Dramaturginnen und Dramaturgen sowie Dirigentinnen und Dirigenten.
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Opernwelt Januar 2024
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Stephanie Twiehaus
Bis vor Kurzem war die wechselvolle Geschichte der französischen Tragédie en musique zwischen dem Tod ihres Schöpfers Jean-Baptiste Lully 1687 und ihrer Erneuerung durch Jean-Philippe Rameau mit seiner ersten, 1733 uraufgeführten Oper «Hippolyte et Aricie» ein schwarzes Loch. Jean-Jacques Rousseaus polemische Bemerkung, es handle sich dabei um «minderwertige...
Die Uraufführung von «X: The Life and Times of Malcolm X» an der New York City Opera 1986 traf im Konservatismus der Ära Reagan sowie der daraus resultierenden Re-Ikonisierung des US-amerikanischen Bürgerrechtlers genau den Zeitgeist. Dennoch wurde das Stück anschließend kaum gespielt. Nach dem (CD- und) Bühnen-Revival durch das Boston Modern Opera Project 2022 war...
Das also ist des Pudels Kern! Kein kapriziöser Kobold, kein Sartyr und auch kein Zauberer – ein General im sandfarbenen Militäranzug tritt vor den Gelehrten Faust hin, haust gar im gleichen Haus, eine Etage tiefer (Ausstattung: Camilla Bjørnvad), im düsteren Satanszimmer. Während der (vermeintliche) Titelheld noch chemische Formeln an jene Tafel schreibt, die auch...
