Augenblicke der Liebe

Wien huldigt der russischen Oper: Tschaikowskys «Iolanta» an der Staatsoper ist in der Regie von Evgeny Titov und unter der musikalischen Leitung von Tugan Sokhiev ein Ereignis, Prokofjews «Verlobung im Kloster» am MusikTheater an der Wien gerät doch etwas zu kunstvoll

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Nun sieh mal einer hin: Die Diva ist nackt. Na ja, fast, fleischfarbene Unterwäsche verbirgt die vulnerablen Passagen ihres Körpers. Dennoch erinnert die Eingangsszene stark an eine biblische Erzählung – an Susanna im Bade. Der Unterschied: Nicht zwei notgeile Richter schauen unerlaubt zu, sondern fast 2000 Menschen im Saal, die völlig legal eine Eintrittskarte erworben haben. Gleichwohl ist es schon erstaunlich, wie ungeschützt sich Sonya Yoncheva in jenem Zaubergarten, den Rufus Didwiszus auf die Bühne der Wiener Staatsoper gepflanzt hat, zahllosen Blicken freigibt.

Anscheinend vertraut sie dem Regiekonzept. Und allein wie Susanna ist sie auch nicht. Eine luftig gewandete Schar von Blumenmädchen umgibt die Königstochter. Nur dass das hier nicht der weihevolle «Parsifal» ist, sondern eine lyrische, zehn Jahre später komponierte Oper aus Russland – allerdings eine mit Allusionen an Wagners «Tristan». Da liegt sie also im Bade, weiß aber gar nicht, dass andere sie (an)sehen. Iolanta ist blind, ihre Wahrnehmung der Welt eine grundsätzlich differente. Zu leiden scheint sie daran auch in Evgeny Titovs Inszenierung keineswegs. Anmutig singend, entsteigt die Königstochter (die aber nicht ...

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Opernwelt Mai 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 15
von Jürgen Otten

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