Auf Leben und Tod
Als Jean-Baptiste Lully 1687 starb, stand die Tragédie en musique vor einem epochalen Umbruch. Zwei Musiker schlugen neue Wege ein – André Campra und Henry Desmarest. Campra trug den Sieg davon, weil Desmarest, der begabteste Komponist in Lullys Nachfolge, 1699 aus Frankreich fliehen musste. Es dauerte mehr als drei Jahrhunderte, bis mit der 1694 uraufgeführten «Circé» eine seiner wenigen Opern wiederentdeckt wurde.
Wie in der vorausgegangenen «Didon» griff Louise-Geneviève Gillot de Saintonge, die erste Librettistin der französischen Operngeschichte, mit der berüchtigten antiken Zauberin Kirke einen der großen Frauenmythen auf. Ihr Libretto zeigt Circé nicht als dämonische Hexe, sondern erfasst sie (wie auch den schwachen, willenlosen Ulysse) mit großer psychologischer Einsicht in die Abgründe menschlicher Leidenschaften. Das gilt auch für Circés Vertraute Astérie, die die Liebe ihres Polite den plumpen Avancen Elphénors vorzieht, der sich dann vor ihren Augen ersticht. Éolie, die Geliebte des Ulysse, kann ihn nur mit Hilfe einer Zauberblume aus den Fängen der Magierin befreien, die daraufhin ihr Reich zerstört.
Die beiden fast gleichzeitig erschienenen CD-Einspielungen – die im ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt November 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 32
von Uwe Schweikert
Das hohe Lob stammt aus berufenem Munde: «Sie gehört zum Stamm der Pioniere, der Wegbereiter. Sie ist uns vorausgegangen, hat Bäume gefällt, Felsen gesprengt und Brücken gebaut, um den Weg freizumachen für die nach ihr Kommenden.» Es war Virginia Woolf, die diese Worte wählte, um eine der wohl erstaunlichsten Komponistinnen aller Zeiten zu beschreiben – Ethel...
Was versprechen sie sich nicht alles vom Theater, die Tragischen, die Lyrischen, die Komischen, die Hohlköpfe und die Sonderlinge in Prokofjews «Die Liebe zu den drei Orangen»? Und können sich am Ende doch auf ein Stück einigen, das nichts anderes als die Oper selbst ist. Am Tiroler Landestheater sind sie denn auch alle willkommen: die mit den antiken Masken, die...
Wer je auf dem Gipfel eines Dreitausenders (also eines auch für Normalsterbliche mit geeignetem Schuhwerk erklimmbaren Berges) gestanden und den herrlichen Blick von dort oben genossen hat, der weiß, dass das Wandern nicht nur des Müllers Lust ist, sondern eine enorme Bereicherung darstellen kann. Im besten Fall muss der Nachfahre von Wilhelm Müllers traurigem...