Anarchie und Ennui
Potzblitz, Parbleue und Himmelsakrament! An der Deutschen Oper Berlin ist der kurze (Früh-)Sommer der Anarchie ausgebrochen. Das Musiktheaterkollektiv «Hauen und Stechen» hat sich John Adams’ augenzwinkernder Politparabel «Nixon in China» angenommen, eines Stücks, das seit seiner Uraufführung 1987 in Houston Geister und Gemüter spaltet.
Verfechter der Minimal Music halten es für eine der größten Schöpfungen auf dem Gebiet des Musiktheaters nach 1945; westeuropäische Avantgardisten verspotten es als eklektisch-filmmusikalisches Kaleidoskop aus verschiedenen, selbst aber schon veralteten Stil -kopien. Und, ja, man kann das so sehen: In seiner monochromen Dur-Moll-Tonalität, mit seinen Anklängen an Teile der Operngeschichte (vor allem Wagner), an den Jazz, das Musical und Songwriting wirkt «Nixon in China» in der Tat wie ein Kessel Buntes. Aber nur dann, wenn man sich jenem Hörertypus Adornos zurechnet, der das Ressentiment vor die sachliche Analyse stellt.
Diese nämlich ergibt ein erhebliches Raffinement in der Struktur des Stücks. Die repetitiv aufsteigenden diatonischen Tonleitern der Introduktion wirken zwar hochgradig naiv, sie bekunden aber zunächst einmal nicht mehr als die ...
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Opernwelt August 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Jürgen Otten
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