Zwölf Gesänge über den Krieg

Lens: Shell Shock Brüssel / La Monnaie

Opernwelt - Logo

Draußen scheint der Kampf noch in vollem Gang. Eine Sirene ertönt. Es fallen Schüsse. Ein ewiger Aufschrei, unterbrochen allenfalls von den Marschtritten unzähliger Soldaten. Drinnen im Theater dagegen Totenstille. Erst nach und nach erheben die Gefallenen ihre Stimmen, wortlos weinend in der Finsternis, die sie umgibt. Sie steigen nicht aus den Gräbern, die nach einiger Zeit auf der Bühne der Brüsseler Opéra La Monnaie erkennbar werden. Es sind andere, die stellvertretend das kollektive Schicksal beklagen. Ein Kolonialsoldat gehört dazu, später eine Krankenschwester.

Am Ende wird es eine Kriegswaise sein, die den letzten «Canto» anstimmt.

Zwölf Gesänge hat der australische Rock-Poet Nick Cave im Auftrag der Brüsseler Oper verfasst – ein «Requiem of War» im Gedenken an den Ersten Weltkrieg, der in Belgien nicht nur äußere Spuren hinterlassen hat. Nicholas Lens beispielsweise stammt aus Ypern, jener Stadt, in der die deutschen Truppen seinerzeit zum ersten Mal Chlor- und Senfgas eingesetzt haben. Ein solches Wissen lässt sich nicht einfach verdrängen, mag der Komponist in «Shell Shock» auch krasse Klangeffekte scheuen. Die beiden Luftballons im Orchestergraben platzen erst, wenn sich ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Dezember 2014
Rubrik: Panorama, Seite 39
von Hartmut Regitz

Weitere Beiträge
Die Donna und ihre Machos

«Birds do it, bees do it.» Und bei all dem, was Ella Fitzgerald von Bienen und Vögeln behauptete, kommt Don Giovanni im Grunde zu kurz. Ständig wird er gestört, alles geht irgendwie schief, angefangen bei Donna Anna. In diesem Zusammenhang scheint pikant, dass Anna Netrebko und Erwin Schrott sich im Mai 2013 auf der Bühne in Baden-Baden noch als das große...

Empathie für einen Verlorenen

Wolfgang Rihms Kammeroper «Jakob Lenz», Geniestreich des 27-Jährigen, deren Handlungsgerüst Georg Büchners Erzählung folgt, gehört seit ihrer Uraufführung 1979 zu den meistgespielten Werken des modernen Musiktheaters. Ihr Erfolg beruht nicht zuletzt auf der moderaten Besetzung – drei Solisten, elf Instrumentalisten, sechs Vokalstimmen –, die auch kleineren Häusern...

Meisterhafter Stilmix

Wenn Oper in der Oper zitiert wird, ist das meist Ausdruck von Komik. Hans Krása setzte noch eins drauf. Wenn er im Finale des ersten Akts seines Bühnenwerks «Verlobung im Traum» das Mädchen Sina «Casta Diva» aus Bellinis «Norma» anstimmen lässt und die Arie sich in verbaler und musikalischer Polyphonie verfängt, ist das ein virtuoses Doppelspiel mit Komik und...