Weichet, betrübte Schatten
Die Botschaft des Covers kommt an: Schau mir in die Augen, Kleiner! Machen wir gerne, Carolyn Sampson. Hören aber lieber zu, wenn die Sopranistin sich, in einem Live-Mitschnitt eines Konzerts in der Londoner Wigmore Hall, an Stücken von Henry Purcell, Giovanni Battista Draghi, Francesco Corbetta und Thomas Simpson ergötzt.
Sie tut es mit britischer Dezenz, unprätentiös, unaufdringlich, mit Leichtigkeit in den zahllosen Melismen dieser Musik, mit dahinströmendem Atem, prononciert-transparenter Deklamation – und in einem wohltuend kultivierten Dialog mit ihren Partnern Elizabeth Kenny (Laute), Jonathan Manson (Bassgambe) und Laurence Cummings (Cembalo). Vielleicht fehlt hier und da eine Spur Glamour, doch die kontemplative Lesart der Interpreten, ihr Faible für Facetten sowie eine eloquente Rhetorik nehmen für sich ein, zumal auch Purcells Hang zum Verschmitzt-Ironischen mitbedacht ist, so insbesondere in «Let the Dreadful Engines of Eternal Will».
Von Purcell zu Bach ist der Weg nicht weit, zumindest nicht für Carolyn Sampson. Auch in den drei ausgewählten Kantaten («Weichet nur, betrübte Schatten», «Tritt auf die Glaubensbahn», «Mein Herze schwimmt»), die sie an der Seite des von ...
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Opernwelt Juli 2017
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 22
von Jürgen Otten
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