Vergnüglich
An Ressentiments herrscht in diesem 1814 an der Mailänder Scala aus der Taufe gehobenen Werk wirklich kein Mangel: Rossinis «Il turco in Italia». Der Sultan ist ein zwar charmanter, aber unerbittlicher Despot; die vermeintlich untreue Geliebte hat er bereits zum Tod verurteilt und Frauen, derer er überdrüssig wurde, flugs verkauft. Italienerinnen wiederum haben es faustdick hinter den Ohren.
Vom Ehemann gelangweilt, trösten sie sich vorübergehend mit einem Liebhaber, der aber dann sofort vergessen ist, wenn ein attraktiver und märchenhaft reicher orientalischer Potentat daherkommt. Beispielsweise ein Sultan.
Für alles dies ersinnt Rossini zündende Musik, die jener der vorangegangenen «Italiana in Algeri» kaum nachsteht. Auch der anlässlich der Uraufführung gegen den Komponisten erhobene Vorwurf des Selbstplagiats entbehrt jeder Grundlage. Mögen dennoch einzelne Nummern nicht ganz die Höhe der «Italiana» erreichen, so entschädigt dafür Felice Romanis brillantes Libretto, das einen seiner (die übrigen Figuren manipulierenden) Berufskollegen auf die Bühne stellt.
Regisseur Fabrice Murgia begreift dies als Steilvorlage. Sultan und flatterhafte Neapolitanerin verwandeln sich in ...
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Opernwelt 12 2022
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Michael Kaminski
Radikal entzaubert kommt sie daher, die neue Frankfurter «Zauberflöte», in steril-nüchternem Weiß. Als zeitgenössische Antwort auf Alfred Kirchners märchenhafte Kultinszenierung, die seit ihrer Premiere im Jahr 1998 fast ein Vierteljahrhundert auf dem Spielplan stand, ist diese karge Ästhetik keineswegs überraschend. Reduktion heißt das Zauberwort in Ted Huffmans...
Zwei Menschen: Sie, eine junge slowakische Jüdin, die 1942 mit dem ersten Frauentransport nach Auschwitz kommt; er, gleichaltrig und ein Aufseher, ein glühender Antisemit, der sich mit 17 freiwillig zur SS gemeldet hatte und als besonders brutal gilt. Sie muss ihm zum 21. Geburtstag ein Ständchen bringen – er verliebt sich in sie. Er rettet ihrer Schwester das...
Im Zusammenhang mit Johann Simon Mayr fällt dem Autor dieser Zeilen stets der Aphorismus ein, den der Literat Alfred Polgar gleichsam virtuell in eine Marmortischplatte des Wiener «Café Central» ritzte: Mancher Komponist hätte Opern und Symphonien geschrieben und lebte doch nur in einer Fußnote der Musikgeschichte weiter. Im Falle Mayrs bezieht sich diese auf das...
