Triste Tropen, wüstes Land
Van der Aa? Kennen wir nicht. Schreker? Nie gehört. Gluck? Mmm, da war doch was. Hat der nicht mal ein Stück für Paris geschrieben? Mit Unterwelt und so? Bis auf diese uralte Love Story gehört, was Serge Dorny zur elften Ausgabe des Frühlingsfestivals der Opéra de Lyon auftischt, wahrlich nicht zum kassensicheren Kernbestand des Repertoires.
Schon gar nicht in der Stadt an Saône und Rhône, deren Musiktheater der quirlige Belgier seit nunmehr zwölf Jahren mit interdisziplinärer Intelligenz, interessanten Künstler-Konstellationen, cleverem Marketing und hippen Bildungsprogrammen für Kinder und Jugendliche aufmischt. Trotzdem sind die Aufführungen voll bis auf den letzten Platz. Und selbst bei der französischen Erstaufführung einer Rarität wie Franz Schrekers «Die Gezeichneten» beherrscht in Jean Nouvels schwarz lackierter Hightech-Höhle kein Silbersee das Bild, sondern junges Gemüse. Bunt gesprenkelt ist das Parkett, auf den Rängen liegt das gefühlte Durchschnittsalter unter 35.
Traut man den jüngsten, für das Geschäftsjahr 2014 erhobenen Zahlen, läuft das während der ganzen Spielzeit so: 92 Prozent Auslastung hatten die 54 Opernvorstellungen, auf 97 Prozent brachten es die 18 Abende ...
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Opernwelt Mai 2015
Rubrik: Im Focus, Seite 20
von Albrecht Thiemann
Es gibt am Premierenabend keinen Aufstand im Royal Opera House. Selbst als während der vorletzten Vorstellung der «Mahagonny»-Inszenierung von John Fulljames ein Kabelbrand an Covent Garden die Lichter löscht und im Opernhaus das Catering lahmlegt, beschwert sich niemand: Die schöne Ironie, die darin liegt, dass es zu einer Show über Whiskey bloß Leitungswasser...
Dass das doch so auffällt. Dass es eine Aufführung doch so spürbar prägt. In Karlsruhe ist eine Interpretation von Richard Wagners «Parsifal» zu erleben, bei der alle Beteiligten offenkundig an einem Strang gezogen haben. Das Ergebnis: eine musikalisch-vokal-szenische Einheit. Vier der fünf großen Partien sind mit Rollendebütanten bestückt, ohrenscheinlich...
Wenn die Herrichtung von «Tristan und Isolde» an der Opéra national du Rhin in Straßburg und Mulhouse jemanden in den Wahnsinn getrieben hat, ist uns das nicht bekannt. Wer ihr ein Lob des Maßes nachsagen wollte, begäbe sich aber gleichfalls auf schwankenden Boden. Denn: Welches andere Musiktheaterwerk überschreitet so mutwillig und aggressiv jede Grenze...
