Rückschau vom Krankenbett
Charles Gounods «Faust» verschiebt die Dramaturgie der Goethe’schen Vorlage weg vom Erkenntnis- und Erlebnisdrang des ruhelosen Gelehrten hin zur Gretchen-Tragödie. Am Theater Hagen hat nun Regisseur Holger Potocki versucht, die Gewichte zugunsten des Titelhelden wieder in die Gegenrichtung zu verschieben, indem er die Handlung als eine Art Rückschau des todgeweihten Faust erzählt.
Während der Ouvertüre materialisieren sich zunächst diffuse Pixelpunkte auf der den Vorhang ersetzenden Projektionsleinwand.
Langsam formieren sie sich zu einem Greisengesicht auf dem Krankenbett mit Sauerstoffschlauch in der Nase. Der Greis ringt stumm nach Luft, versucht vergebens, sich zu bewegen.
Dann liegt der Alte aus dem Video, der natürlich niemand anders ist als der alte Faust, auf der Bühne in einem kahlen Krankenzimmer. Personal umschwirrt ihn, der diensthabende Arzt wird konsultiert, Schwestern assistieren, schließlich wird der Priester gerufen zur letzten Ölung.
Da der Schauspieler Klaus Klinkmann den Greis spielt, muss Tenor Paul O’Neill die ersten Passagen der Faust-Partie aus dem Graben heraus singen, bis er verzweifelt den Teufel anruft. Da schlüpft der salbende Priester flugs aus der ...
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Opernwelt März 2015
Rubrik: Panorama, Seite 48
von Regine Müller
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