Nemesis, auf Sparflamme
Das Fest blieb bei den Berliner Festtagen aus. Auch musikalisch. Das Programmheft druckte eine undatierte Erinnerung ab, in der Julius Kapp, Dramaturg der Berliner Uraufführung 1925, darlegt, dass sich «die Wozzeck-Partitur (...) häufig zur Sechs- und Siebenstimmigkeit entwickelt». Davon hörte man in der 12. Reihe des Schiller Theaters meist nur eine bis zwei Stimmen. Daniel Barenboim ließ die Staatskapelle mit Rücksicht auf die Sänger so «kammermusikalisch» spielen, dass sie nahezu in der Bedeutungslosigkeit versank.
Zu diesem Understatement hatte ihn offenbar Andrea Breth verleitet, die ihrerseits die Szene klein hielt. Bei Barenboims erstem Berliner «Wozzeck» 1994 hatte es noch ganz anders geklungen. Nur bei den sinfonischen Zwischenspielen drehte die Staatskapelle mächtig auf. Diese musikalische «Konzeption» führte dazu, dass auch Bergs mit Leitmotiven arbeitende Rhetorik kaum noch erkennbar war. Barenboim verzichtete in der Mehrzahl der Fälle darauf, sie scharf zu konturieren, obwohl sie in der Partitur sogar extra gekennzeichnet sind. Ergebnis war ein instrumentales «Genuschel», das auf Dauer ermüdete. Man kann darüber streiten, ob diese «Abstraktion» modern oder einfach nur ...
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Opernwelt Juni 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Boris Kehrmann, Kai Luehrs-Kaiser
Ist es das Auge Gottes? Eine riesige Linse spannt sich sich quer über die Bühne – die alles sehende, alles beobachtende, unverrückbare Konstante dieses Breslauer «Parsifals». Sie zeigt mythische Bilder: einen See, abstrakte Spiralen, kosmische Galaxien. Im Vordergrund kreist eine Treppe auf versenkbarer Drehbühne. Der Grundton ist ein arktisches Blau, es...
Monsieur Dorny, Sie sind 2003 nach Lyon gekommen. Haben Sie erreicht, was Sie sich damals für dieses Opernhaus vorgenommen hatten?
Ein gutes Stück davon habe ich schon geschafft, denke ich. Lyon war in den achtziger und neunziger Jahren mit Chefdirigenten wie John Eliot Gardiner und Kent Nagano ein Haus mit großer Ausstrahlung über die Grenzen Frankreichs hinaus. Es...
Ja, die Dresdner Staatsoperette ist weit draußen. Aber die lange Anfahrt in den Vorort Leuben wird versüßt von der herrlichen Kulisse der bürgerlichen Wohnhäuser und Villen, die am Elbhang liegen. Vorbei geht’s am Rohbau der Waldschlösschenbrücke, der viel schlimmer als erwartet in dieses Gesamtkunstwerk einschneidet. Ein Anblick, der nur durch Verdrängung zu...