Mythos und Moderne
Der Empfang ist frostig, die Stadt zeigt ihr grimmiges Gesicht. Schneeschauer, eisige Winde, auch der Busfahrer scheint nicht seinen besten Tag zu haben. Mit versteinerter Miene manövriert er sein Gefährt durch die weißgraue Landschaft, und wer unsicher ist, an welcher Haltestelle er aussteigen muss, hat eben Pech gehabt. Das alles bei minus fünf Grad. Nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Aber erstens ist das nur der Prolog, zweitens Humor hilfreich und drittens der etwas andere Traumtanker.
Seit 1994 residiert die (architektonisch einem Schiffskörper nachempfundene) Oper Göteborg, die zuvor im pittoresken Stora Teatern an der Kungsportavenyn ihr Domizil hatte, am Hafen. Und dort, inmitten der Kräne und Werften, haben sie große Pläne. Der erste «Ring» soll es sein; einer, der offen thematisiert, wie der Homo sapiens, angetrieben vom Wunsch nach Macht und Profit, die Natur und damit seine Lebensgrundlage ruiniert, und was das alles mit der «menschlichen» Natur macht. Ein Musiktheaterprojekt das, wie Stephen Langridge es formuliert, «zwischen Mythos und Moderne» vermitteln, die schlichte wie existenzielle Frage stellen will: «Wie wollen wir leben?» Das große Ganze also: die con ...
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Opernwelt März 2018
Rubrik: Magazin, Seite 72
von Jürgen Otten
Bühne und Zuschauerraum sind klein, doch das Geschehen wirkt ins Große geweitet. Das war schon so bei der eindrucksvollen Produktion von Luigi Nonos Hörtheater «Prometeo», mit der Benedikt von Peter seine Intendanz am Luzerner Theater eröffnete (OW 11/2016). Damals erstreckte sich eine aus rohen Planken gefertigte Arche von den Tiefen der Bühne über den...
Die Szene ist grotesk, die Musik dazu wundervoll. Bertarido, exilierter, totgeglaubter König, ist inkognito in sein Land zurückgekehrt, steht vor seinem Grabmal und liest jene Inschrift, die von seinem (Ab-)Leben kündet. Seine Seele brüllt, seine Stimme aber kleidet die Qualen des verwundeten Herzens in die denkbar mildesten Töne: Die Arie «Pompe vane di morte!»...
Bloß kein Meer! Wenige Tage vorher zeigte David Hermann in Karlsruhe «Simon Boccanegra» als Stück aus Innenräumen. Bilder des ligurischen Meeres, von dem Text und Musik erzählen, waren verpönt. Verdis «tinta musicale», die das einfängt, was man später «Naturlaut» nannte, prallte auf eine eng bebaute Drehbühne, die sich gänzlich verschließen konnte und kaum Blicke...