Münchens Loge
«Es war einmal», schrieb er damals auf den blauen Vorhang. Die Kreide quietschte, während im Graben des Münchner Nationaltheaters das Es-Dur-Vorspiel heraufdämmerte – was orthodoxe Wagnerianer prompt erboste. Obgleich Robert Tear noch keinen Ton in diesem «Rheingold» gesungen hatte, galt er sogleich als Bösewicht. Zweieinhalb Stunden später, als der Brite die Ovationen entgegennahm, schien alles vergessen: Sein Loge war eines der wichtigsten Ereignisse von Nikolaus Lehnhoffs Münchner «Ring». 1987 kam die Produktion heraus, und Tear war ihr formvollendeter Intrigant.
Ein Sänger mit Lust am Spiel und an der Nuancierung, auch am Boshaften, Satirischen, der darüber jedoch nie seine gute Vokalerziehung vergaß.
Die übliche – und im Grunde hilflose – Einordnung als «Charaktertenor» greift daher bei ihm zu kurz. Robert Tear verfügte über eine jener typischen britischen Tenor-Stimmen, die genuin lyrisch grundiert sind, die sich jedoch – dank kluger Technik und eines farbenreichen Timbres – auch in Dramatischerem wohlfühlen. Fast logisch, dass er in der Nachfolge seines Vokalverwandten Peter Pears eine ideale Besetzung war für die Rollen Benjamin Brittens. Tears Operndebüt war so etwas wie ...
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Opernwelt Mai 2011
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Markus Thiel
Schon nachvollziehbar, dass just diese Oper zu den Lieblingsstücken Adolf Hitlers gehörte. Denn jenseits der in ihrer schwermütigen Melodik und manchmal auch plakativen Machart an den italienischen Opernnaturalismus – Verismo – erinnernden Musik birgt die Fin-de-Siècle-Geschichte viel Treibstoff für eine «Blut und Boden»-Ideologie: Unverdorbener Junge – Pedro – aus...
Liebhaber der Barockoper wissen um die delikaten Entstehungsumstände der Ballet-buffon «Platée», die Mitte des 18. Jahrhunderts im Théâtre de la Grande Ecurie das Kerzenlicht der Opernwelt erblickte. Zwischenzeitlich vergessen, fand das Stück in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Wiederentdeckung Rameaus (und des barocken Musiktheaters) neben...
Je länger diese Aufführung dauert, desto stärker keimt ein Verdacht: Womöglich hat man sich bei Wagners «Tristan und Isolde» schon an zu viel gewöhnt. An Dirigenten, die ihr Heil im effektvollen Ertrinken und Versinken suchen und darob ihren Job als strenger Steuermann vergessen. Auch an Orchester, die willig und billig alles mit Emotion fluten, wo doch minutiöse...
