Liebe ist nur eine Möglichkeit
Sinnierend sitzt sie am äußersten Bühnenrand und lauscht der traurigen Weise des Englischhorns. Wo wir sind? Im dritten Aufzug von Wagners Weltendrama «Tristan und Isolde». Eigentlich ist dieser Akt auf Isoldes sehnlichst erwartete Ankunft in Tristans Heimat Kareol ausgerichtet. In Eva-Maria Höckmayrs Inszenierung am Staatstheater Darmstadt aber ist Isolde von Anfang an so präsent, als wäre sie die heimliche Regisseurin. Ausgelöst wird ein grundlegender Perspektivwechsel: nicht mehr Tristans Erlösung durch Isolde, sondern Isoldes Lösung von Tristan.
Sie hat es ja von Anbeginn gewusst – «mir erkoren, mir verloren». Und noch zuvor, im szenisch gefassten Orchestervorspiel, sieht Isolde in einem Video-Fenster, wie sich Tristan von einem Felsen stürzt. Weder leben noch sterben konnte sie gemeinsam mit ihm: Er kam zu spät, um mit ihr zu leben, sie kam zu spät, um mit ihm zu sterben. Jetzt muss sie für sich allein schauen: einmal zurück in einer Art Anamnese ihrer Leidens- und Liebesgeschichte, einmal nach vorn, in einem musikalischen Befreiungsschlag. Ihren Schlussmonolog singt Isolde als einsame Lichtgestalt auf Fabian Liszts im Dunkeln versunkener Bühne – ihre Geschichte mit Tristan ...
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Opernwelt April 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Lotte Thaler, Peter Krause
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