Kopfkino
Die Tonart verheißt nichts Gutes: d-Moll, das klingt nach grimmig-versteinertem Komtur, nach Verderben, nach Tod. Aber genau darum geht es in diesem allegro assai moderato zu Beginn des zweiten Akts, das mit heftigen Oktavschlägen im Orchester einsetzt, zwischendurch beklemmend in die Stille hineinatmet und dann in den Celli jene schmerzensreiche pianissimo-Kantilene aus dem Graben heraufsteigen sieht, die wenig später Normas Andante «Teneri, teneri, figli» untermalen wird.
Con dolore wünscht sie sich der Komponist, und das ist fast zu wenig, um diesen Medea-Moment zu beschreiben: eine Mutter, die, von Furien gefesselt, ihre Kinder umbringen will. Den Dolch hält Hrachuhi Bassenz schon drohend umklammert. Doch sie hadert. Hebt die Hand nochmals. Und lässt sie, in einem fassunglosen Schrei, erneut sinken.
Katrin Nottrodts Bühne in Oslo, eine abgeschrägte, beharrlich um sich selbst kreisende Installation aus Metall und Holz, wirkt nun plötzlich fokussiert. Wir blicken in einen grün gestrichenen, sich nach hinten verjüngenden Kasten, das Schlafzimmer der Kinder. Fast gewinnt man den Eindruck, die armenische Sopranistin wäre dankbar für diese Zuspitzung. Plötzlich strömt ihre Stimme, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt März 2018
Rubrik: Panorama, Seite 48
von Jürgen Otten
Erst allmählich wird die Bühne zum Ort, gibt die Weite der Natur das gesellschaftlich Festumrissene frei. Die Freiburger Szene zu Leoš Janáčeks «Katja Kabanowa» stammt von Alfred Peter und sagt mehr als tausend Worte. Wie aus der Tiefe des Raumes herangezoomt, mit der Lupe betrachtet: zwei Zimmer wie Puppenstuben, Gefängnisse überwiegend bigotter Tradition – Enge,...
Geht es um Belcanto, «geben sich die Produzenten meist damit zufrieden, um ein paar Vokalstars herum dekorative Arrangements zu schaffen», habe ich aus früherem Anlass einmal moniert. Wie schön, dass ich jetzt von drei prominenten Gegenbeispielen berichten kann, bei denen die Regisseure die szenischen Herausforderungen und Möglichkeiten, die in den Stücken stecken,...
Bis heute prägt «Carmen» unsere akustische Vorstellung davon, was «typisch spanisch» ist. Und doch handelt es sich bei Bizets Partitur um ein genuin französisches Werk. Ivan Repušić erinnert daran jetzt auf wahrlich erhellende Weise an der Deutschen Oper. Mit dem hochmotivierten Orchester gelingt ihm eine stilistisch sensationell stimmige Interpretation, in der das...