
Kein Ausweg nirgends: Saioa Hernández (Francesca), Josy Santos (Samaritana, re.); Foto: Theater/Klara Beck
Klare Linien, feinste Gesten
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten sich in der europäischen Literatur schwüle Stimmungen breitgemacht. In der italienischen Oper spielte solcher «decadentismo» jedoch nur eine zweitrangige Rolle. Zwar standen die meisten Komponisten in Wagners Bann, doch ein Puccini, im Grunde seines Herzens Kleinbürger, konnte mit jener elitären Strömung nie wirklich etwas anfangen. Seine erfolgreichen Kollegen Leoncavallo und Mascagni, Cilea und Giordano setzten dagegen mit Vorliebe auf grelle Räuberpistolen, die man gerne als «veristisch» klassifiziert.
Besonders offen für dekadente Literatur zeigte sich jedoch Riccardo Zandonai, als er eine radikal gekürzte Fassung von Gabriele d’Annunzios Verstragödie «Francesca da Rimini» vertonte. Diese «Literaturoper», die 1914 in Turin zur Uraufführung kam, darf als sein Hauptwerk gelten. Auch wenn d’Annunzio die berühmte Ehebruchsgeschichte aus dem 13. Jahrhundert um einige sadistische Elemente anreicherte, tendiert der exzessive Ästhetizismus seines Dramas zum Plüsch. Das hatte Konsequenzen für die Inszenierungsgeschichte von Zandonais Oper. Allzu oft gingen Regisseure solchen Tendenzen auf den Leim: pompöse Kostümfeste mit ornamentalem Overkill.
Ganz ...
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Opernwelt Februar 2018
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Anselm Gerhard
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