Immer auf Linie
Unter den bedeutenden Primadonnen von heute nimmt die Georgierin Iano Tamar eine Sonderstellung ein, da sie weder den reinen Schönsängerinnen noch den erklärten Ausdruckskünstlerinnen zuzurechnen ist, vielmehr mit einiger Konsequenz die Synthese aus Belcanto und Musiktheater angestrebt und gefunden hat.
Ihr Interesse gilt den extremen Charakteren (Medea, Abigaille, Lady Macbeth), die sie aber stets «auf Linie», ohne veristische Ausbrüche singt, andererseits den empfindsamen, eher passiven Frauenrollen (Rossinis Desdemona, Elisabetta in «Don Carlos»), deren lyrischen Schmelz sie mit dramatischem Pulsschlag vermittelt.
Durch glückliche Umstände ist sie schnell in der ersten Reihe angekommen. Seither hat sich ihre Karriere stetig, aber unspektakulär entwickelt, es gab nie einen «Hype», der durch Plattenfirmen oder ehrgeizige Agenten ausgelöst wurde. Das hat es der Sängerin erlaubt, unbeirrt ihren eigenen Weg zu gehen. Wir treffen uns in Berlin während einer Vorstellungsserie von «Andrea Chénier» an der Deutschen Oper, sprechen über ihre Rollen, ihre künstlerischen Auffassungen und über wichtige Begegnungen mit Dirigenten und Regisseuren. Eher zierlich von Gestalt, ist Iano Tamar ein ...
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