Heitere Trauer

Ich wollt‘, ich wär‘ ein Huhn!
BERLIN | KOMISCHE OPER

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Es lockt erst einmal alles in die falsche Richtung. Barrie Kosky, der Operetten-Derwisch, inszeniert einen Berlin-Abend mit Schlagern der 1920er- und 1930er-Jahre, arrangiert rund um eine Klassik-Diva. Das kleine Orchester auf der Vorbühne schraubt sich schamlos in die Romaklänge von Nico Dostals «Heut’ Abend lad ich mir die Liebe ein!». Ein letzter Taumel aus dem Jahr 1939, mit ihm stolpern auch Anne Sofie von Otter und Wolfram Koch hinein. Nur ihre Lackschuhe erinnern an den großen Auftritt.

Dieser «Ich wollt’, ich wär’ ein Huhn!» betitelte Liederabend ist das Gegenteil eines Kostümrauschs. Hier fallen ganz still die Masken.

Das geht nicht ohne Widerstände ab. Kochs biegsamer Spieldrang klammert sich zunächst noch an ein paar Requisiten, die ihn in einen Franzosen verwandeln, in der Hand eine Torte, unterm Arm eine Keule. Man spürt, wie gerne er mit beidem wild drauflos hantiert, sich selbst in eine fatale Schlacht um Knüppel und Sahne verwickelt hätte. Doch der Künstler, der sich selbst nicht als Schauspieler-Sänger sieht, muss sich in kleinere, ungleich tiefere Formen des Scheiterns begeben. «In meiner Badewanne bin ich Kapitän» stimmt er recht behaglich an, doch der Traum ...

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Opernwelt Mai 2020
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Ulrich Amling

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