Gerechter Himmel
Man liest es und staunt. «Angelica diabolica». Ist das nicht eigentlich ein Oxymoron, gewissermaßen eine contradictio in adiecto? Nicht nur, dass man sogleich Puccinis sehnende Schwester im Sinn hat, die von allem möglichen besessen sein mag (vor allem von der tatkräftigen Liebe), nicht aber vom Teufel: Schon das reine Wort hat doch eigentlich einen Engel im Sinn. Und selbst die Pflanzengattung dieses Namens gilt innerhalb der Familie der Doldenblütler trotz ihres nachgerade atomaren Aussehens doch eher als linderndes Elixier innerhalb der Fauna-Welt.
Was also ist hier los? Und wer eigentlich ist diese Angelica diabolica?
Giulia Semenzato heißt die junge Sängerin, die auf den Album-Fotos aus uns unerfindlichen Gründen einmal in einem tief dekolletierten, weißen Kleid am Strand entlangspaziert und ein weiteres Mal, auf einer Wiese stehend, sinnierend in die Sonne blinzelt, so als sei sie die italienische Antwort auf Lea Sedoux und Marion Cotillard. Aber im Ernst: Hier ist, trotz der übertriebenen Bild-Posen, eine Stimme zu entdecken, die großes Potenzial besitzt und in nicht nur einem Fall auffällig an die junge Cecilia Bartoli erinnert in ihrem Furor, ihrer technischen wie ...
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Opernwelt 7 2022
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 33
von Jürgen Otten
Faltenröcke machen früh alt. Jener, in dem die verträumte Bücherratte Tatjana steckt, lässt die junge Frau zu Beginn bereits wie ihre eigene Oma aussehen, die mit Vorliebe vom Damals erzählt, als die Zukunft noch so viel besser war. Doch die Schwärmerin singt sich in ihrer Briefszene empor aus dem wohlsortiert-langweiligen Landleben jenes Spießbürgeridylls, das...
Ein Wortspiel mit dem französischen Ausdruck für «Rebellin» findet sich auf dem Cover eines neuen Albums der Sopranistin Josefine Göhmann und des Pianisten Mario Häring: «réBelles!». Göhmann kommentiert: «Sich in dieser Welt selbst zu finden und zu definieren, ist unglaublich komplex geworden. Für uns Frauen ist es sehr schwierig, obwohl wir mehr als 100 Jahre...
Es war die Renaissance des romantischen und des klassischen Belcanto-Repertoires, die seit Beginn der 1960er-Jahre zur Nachfrage nach wendigen Mezzo- und Altstimmen führte – insbesondere für etliche der zentralen Partien von Gioachino Rossini, dessen Opern in den sechs, sieben Jahrzehnten zuvor Opfer der Tradition, also der «Schlamperei» (Gustav Mahler), geworden...