Genug vom Gefiedel
Bibelfeste Erzmänner verweisen gerne auf Paulus und dessen Mahnung an das weibliche Geschlecht (im Ersten Korintherbrief, Kapitel 14, Verse 34 und 35). Verkürzt und in heutigem Macho-Jargon würde diese etwa lauten, die Frau solle die Schnauze halten und tun, was der Mann ihr sagt. Eurydice pfeift darauf. Längst hat sie genug vom Gefiedel ihres Ehegespons, also flieht sie zum Hirten Aristée recte Gott Pluton, der sie vermittels des kleinen und anschließend großen Tods, seiner Unterwelt einverleibt.
Mit «Orphée aux enfers» hat der nunmehr 200-jährige Jacques Offenbach die klassische Liebesgeschichte zu einer zeitgenössischen Scheidungsaffäre gewandelt und dadurch die Epoche des Bourgeois vollends auf die Musiktheaterbühne geholt, als Demaskierung von Schwindel und Schwindlern (inklusive Napoleon III. in der Figur des Jupiter), als fröhlich sarkastische Beleidigung des Pathos der Grand Opéra und Zuspitzung in Richtung politischer Satire. Offenbach war giftig gegenüber seinen Zeitgenossen. Und das müsste man auch heute sein, nach Möglichkeit mit scharfem Witz.
In Barrie Koskys Zurichtung im Haus für Mozart kommt der Humor indes eher aus dem – wenn auch hochprofessionell gehandhabten ...
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Opernwelt November 2019
Rubrik: Im Focus, Seite 24
von Gerhard Persché
Er ist immer da. Kritzelt was an die Tafel hinter dem Schreibtisch. Greift sich ein Buch aus dem turmhohen Regal. Hockt faul im Liegestuhl am Meer. Kurvt auf dem Drahtesel durch die Sommerfrische. Schaut zwei jungen Damen beim Federballspiel zu. Fachsimpelt mit dem Mechaniker der Fahrradwerkstatt. Und fliegen kann er auch, gleitet samt Velo durch den Äther, sehr...
Die Inszenierung? Nun ja, umstritten war sie. Wild, hemmungslos, chaotisch (OW 11/2018). So, als habe Jan Lauwers sich von Monteverdis frühbarocker Üppigkeit in «L’ incoronazione di Poppea» inspirieren lassen zu einer schwindelerregenden danse erotique, in dem die menschlichen Leidenschaften ganz und gar unplatonisch waberten und alle Vernunft über Bord gekippt...
Ihre Faszination für das Epos, ihre Liebe zur Musik sieht man: Ana Kelo inszeniert den Vorabend der «Ring»-Tetralogie mit größtem Respekt. Sie hinterfragt wenig, sie erzählt einfach die Geschichte, in der Personenführung schnörkellos klar, in den Bühnenbildern von Mikki Kunttu so farbenfroh wie deutlich, märchenhaft, monumental. Die Nibelungen-Brüder gleichen mit...
