Existenzielles Hören
Vielleicht hört den inneren Klang der Sprache und das Sprechen des Klangs besonders klar, wer alle Gewissheiten verloren hat. Wer sich der Leere einer selbstgewählten Aphasie aussetzt, Halt im Flugsand sucht. Wer das Nichts, die Stille als Resonanzraum wiederentdeckt. Und so Laute, Silben, Wörter, Geräusche, Töne, Melodien, Harmonien: die Grundstoffe jeder Sprachmusik und jeder Musiksprache wie Naturkräfte wahrnimmt, Lichtzeichen am dunklen Himmel.
Das Musiktheater Beat Furrers hat keinen festen Ort, keine festen Formen, keine lineare Handlung.
Es sind Stücke auf der Suche, aus Bruchstücken gefügte Fragen, immer im Fluss. Meditationen über Herkunft, Gegenwart und Zukunft, denen der Zweifel, die Verunsicherung eines unbehausten, forschenden Ichs eingeschrieben ist, das sich immer wieder neu erfinden muss. An der Grenze von Werden und Vergehen, Leben und Tod. Inspiriert durch Texte, die von der Antike bis ins Heute führen. Sechs «Opern» hat Furrer bislang geschrieben (darunter «Fama» und «Begehren»), eine siebte («La bianca notte») wird im Mai an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt. Fünf Jahre nach dem «Wüstenbuch», das dank des Labels Kairos inzwischen als Mitschnitt einer ...
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Opernwelt März 2015
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 31
von Albrecht Thiemann
Robert Schumann meinte zum Finale von Chopins b-Moll-Sonate ratlos-lakonisch: «Musik ist das nicht.» Was aber ist es dann? Abgründig nennt sie Victor Hugo «das Geräusch, das denkt»: der Klang als autonomes Subjekt. Beethovens Credo «Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie» hat den metaphysischen Anspruch noch einmal übersteigert: Komponieren...
Als Michel Franck Intendant des Théâtre des Champs-Elysées wurde, schob er einen Mozart-Zyklus an, mit Jérémie Rhorer als Dirigent und spiritus rector. Jetzt war – nach «Idomeneo», «Così fan tutte» und «Don Giovanni» – «La clemenza di Tito» an der Reihe. Auch diesmal war der Erfolg der Aufführung Rhorer zuzuschreiben: Mit seinem auf historischen Instrumenten...
Zwei Stämme menschenfressender Indianer als Gleichnis für die Mächtigen seiner Zeit: Johann Nestroy ging nicht gerade subtil zu Werke, als er 1862 den «Häuptling Abendwind» auf die Wiener Bühnenbretter brachte, eine «indianische Faschingsburleske» mit Musik von Jacques Offenbach. Dass aus dem kleinen Singspiel gut 150 Jahre später eine Punkoperette werden würde,...
