Empathie für einen Verlorenen
Wolfgang Rihms Kammeroper «Jakob Lenz», Geniestreich des 27-Jährigen, deren Handlungsgerüst Georg Büchners Erzählung folgt, gehört seit ihrer Uraufführung 1979 zu den meistgespielten Werken des modernen Musiktheaters. Ihr Erfolg beruht nicht zuletzt auf der moderaten Besetzung – drei Solisten, elf Instrumentalisten, sechs Vokalstimmen –, die auch kleineren Häusern die Aufführung ermöglicht. Mag auch der äußere Aufwand bescheiden sein, so sind die inneren Dimensionen dieses beklemmenden Psychogramms umso ausgreifender.
Andrea Breths Inszenierung auf der großen Bühne des Stuttgarter Opernhauses unterstreicht das aufs Eindrucksvollste.
Martin Zehetgruber hat einen Raum gebaut, der das Innere des sich selbst und der Welt entfremdeten Sturm-und-Drang-Dichters Lenz gleichsam nach außen kehrt. Ein dunkler, nach allen Seiten geschlossener Kasten, im Raum verstreut große schwarze Felsbrocken. Über den leicht abfallenden Boden fließt Wasser in breiten Rinnsalen. Dazu vereinzelte Requisiten: ein umgestürzter Tisch, ebenso ein Stuhl, eine leere Bibliothekswand mit einer Goethe-Büste, Museumsvitrinen, ein Klinikbett. Bilder einer düsteren Bedrängnis, die noch dadurch erhöht wird, dass sich in ...
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Opernwelt Dezember 2014
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Uwe Schweikert
Frau Schneiderman, 1984 wechselten Sie von Heidelberg nach Stuttgart.
Ja, im Herbst vor genau 30 Jahren. Meine erste Rolle hier war die Cenerentola.
Welche Bedeutung hat das Ensemble für Sie?
Wenn man sich für eine Stadt entschieden hat, dann ist das Ensemble enorm wichtig. Es ist eben anders als bei einem Gastspiel, bei dem es zwar temporär zu einer familiären...
Er atmet schwer, der alte Mann. Einen weißen Leinenanzug hat er angelegt. Als werde es bald Frühling oder Sommer in seinem leeren Lebensabendbunker. Schlurft hierhin, dorthin, hält inne, horcht und blinzelt, ob sich was regt im Halbdunkel zwischen den anthrazitgrauen Wänden. Aber es bleibt still. Kein Laut, nirgends. Nicht mal der schüttere Herbstlaubregen, der aus...
«Birds do it, bees do it.» Und bei all dem, was Ella Fitzgerald von Bienen und Vögeln behauptete, kommt Don Giovanni im Grunde zu kurz. Ständig wird er gestört, alles geht irgendwie schief, angefangen bei Donna Anna. In diesem Zusammenhang scheint pikant, dass Anna Netrebko und Erwin Schrott sich im Mai 2013 auf der Bühne in Baden-Baden noch als das große...
