Divendämmerung

Barber: Vanessa Hagen / Theater

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Vanessa schaut sich einen Film an. Auf der Leinwand flimmert sie selbst in Schwarzweißbildern, gestylt wie eine Diva aus der Stummfilmzeit. Sie lebt ganz in ihren Erinnerungen an die große Liebe mit Anatol, wartet schon seit 20 Jahren auf seine Rückkehr. Als dann wahrhaftig ein Mann namens Anatol erscheint, ist es nicht der Geliebte von einst, sondern dessen Sohn, der sich erst einmal an Vanessas Nichte heran- und ihr ein Kind macht. Gian Carlo Menottis Libretto zu Samuel Barbers Oper «Vanessa» ist Melodrama pur.

Die Komposition entstand 1958 in den USA, als Hollywood gerade die Psychoanalyse entdeckt hatte. Indem Roman Hovenbitzer das Seelendrama nun in Hagen mit vielen Filmbildern als Diven-Dämmerung inszeniert, knüpft er plausibel an die Entstehungszeit des Werks an.

Wenn Nichte Erika verzweifelt alles daran setzt, das Kind loszuwerden, wird ihr gequältes Gesicht in pathetischen Großaufnahmen herangezoomt. Dass sie ergreifend wirken, liegt an der großen schauspielerischen Präsenz der auch gesanglich nuancenreichen Mezzosopranistin Kristine Larissa Funkhauser. Die Aufführung scheut die große Geste nicht, was zu Barbers aufwühlend spätromantischer Klangsprache passt. Das ...

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Opernwelt Mai 2015
Rubrik: Panorama, Seite 39
von Stefan Keim

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