Die Welt von unten
Wurzeln überall, auch von oben hängen sie herunter, wir befinden uns mutmaßlich in einer subrealen Unterwelt. Vorne fließt, vom Parkett nur zu ahnen, ein Fluss vorbei, und als schließlich Mélisande, drapiert wie für eine kolorierte Kunstpostkarte, ihr fragiles Leben ausgehaucht hat, wird es gewiss: Es ist Styx, oder Lethe, denn Mélisandes Lebenslicht wird vom Arzt, der hier bereits als gewichtig schreitender Fürst der Finsternis eingeführt wurde, dem Gewässer anheimgegeben.
Da fließt es nun, mit anderen Lichtlein, beschaulich dahin, Debussys Finale gerät zum Soundtrack, und zu fragen wäre, ob wir noch dies- oder schon jenseits der Kitschgrenze sind. Das Duo Barbe & Doucet hat bis dahin, zuständig für immerhin Regie, Bühne, Kostüme und Dramaturgie, schon reichlich schöne Bilder geliefert. Junge Frauen, weiß bekränzt und beschleiert, begleiten das diskrete Dreiecksdrama um das Rätselwesen Mélisande zwischen den so verschiedenen Halbbrüdern Golaud und Pélleas. Auch Mélisande, der Nina Minasyan viel vokale Clarté und einen Hauch von Geheimnis schenkt, auch sie ist eine Frau in Weiß, und sie wird der Schar der Geister mutmaßlich beitreten, verlorene Seelen alle, anmutig herumgeisternd.
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Opernwelt Juni 2024
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Holger Noltze
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