Die letzten Tage der Menschlichkeit
Lyon, 22. März 2016: Vor der Vorstellung von «Benjamin, dernière nuit» tritt jemand vor den Vorhang und bittet um mitfühlendes Schweigen für die Opfer der Brüsseler Anschläge am Morgen des gleichen Tages. In der Stille denken wir daran, wie sehr diese Karwoche Leid und Tod ohnehin in den Mittelpunkt rückt. Und dass Gottes Name schon immer zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht wurde. Und dass dem Fanatiker für ein «hohes Ideal», religiös oder/und politisch, alles erlaubt scheint, auch die radikale Auslöschung von Leben Unschuldiger. Welch verheerendes Missverständnis.
Später im Stück wird Bertolt Brecht zu Walter Benjamin sagen: «Es geht nicht darum, gut zu sein, sondern die Welt zu verbessern. Vergiss die Güte, sie tut nicht gut.» Interessant ist das auch deshalb, weil der Text von Régis Debray stammt, dem ehemaligen Kampfgenossen Ché Guevaras und Berater Salvador Allendes. Wir dürfen annehmen, dass die zitierte Bemerkung ironische Distanz dialektisch mit einschließt. Zumal man im hier beschriebenen Schicksal Benjamins durchaus autobiografische Spuren Debrays finden mag.
Ohnedies, die Welt verbessern: wer für wen, cui bono? Das Festival, das der Lyoner Opernintendant Serge ...
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Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Gerhard Persché
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