Der Kuss des Parsifal
Ein Anfang vor dem Anfang. Noch ehe der Dirigent den Taktstock hebt, hat Richard Wagners «Parsifal» in Basel bereits begonnen. Ein farbiger älterer Herr bahnt sich den Weg vors Parkett, blickt ernst ins Publikum, nimmt an dem Tischchen links vorn vorm Graben Platz, stützt den Kopf in die Hand, sinnt. Auf dem Tisch eine Lampe, eine Partitur und ein Foto von Zwillingen im Fußball-Dress, das der Mann bisweilen wehmütig betrachtet – vermutlich er selbst und sein Bruder Amfortas, einst. Er heißt auf dem Besetzungszettel «Der Autor».
Allan Evans ist es, ehedem in Basel engagiert und eben 70 geworden. Im Kopf dieses «Autors» entsteht das Werk, das er stumm mitvollzieht. Und manchmal auch (halb-)laut. Wenn er nämlich wichtige Sentenzen mitspricht, «Durch Mitleid wissend...» etwa, auch mal zeilenweise mitsingt. Immer öfter oben auf der Szene, übernimmt er den Titurel und, gar nicht so kurios, auch das Alt-Solo am ersten Akt-Ende. Er ist nicht unbedingt Richard Wagner, aber er ist in allen Figuren, hat an allen teil, lebt mit ihnen. «Alle Figuren fließen durch seinen Kopf», sagt sein Interpret in der Theaterzeitung. Ohne diese und die Hilfestellung des Programmbuches erschlösse sich das ...
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Opernwelt Mai 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Heinz W. Koch
Vivi, tiranno: Bertarido hat gerade das Leben des Usurpators Grimoaldo gerettet, dennoch erwartet er den Tod. Seinen Zorn entlädt er in heftigen Wutaffekten und Koloraturkaskaden. Darin lässt Bejun Mehta, zur Zeit quasi der «King» der Counters, sich nicht lumpen: Kristallklar und gestochen kommen sie, technisch makellos gebändigt trotz aller Intensität. Freilich,...
Jules Massenets lange – wie die Titelfigur – ein wenig vernachlässigte «Cendrillon» scheint sich zu einem heimlichen Hit der Saison zu entwickeln. Nach Aufführungen in Paris und Wien wird seinem Aschenbrödel ab Juli auch in London der gläserne Schuh angepasst. Und das dann in einer komisch effektvollen Inszenierung aus Santa Fe, die nächste Spielzeit nach Brüssel...
Medea und kein Ende. Für jede Generation öffnet der Stoff neue Fragen, neue Facetten. In der Literatur zieht sich Medeas Spur von Euripides über Hans Henny Jahnn bis zu Christa Wolf; in der Musik von Cavalli und Charpentier über Cherubini und Simone Mayr bis zu Milhaud. Um die Jahrtausendwende sorgte Medea dann erneut für einen Boom und extrem verschiedene...
