Der Freigeist
Wann hören wir endlich eine Arie?», soll Faustina Bordoni, eine der großen Primadonnen des 18. Jahrhunderts und Ehefrau des Komponisten Johann Adolph Hasse, voller Ungeduld eine halbe Stunde nach Beginn der Vorstellung einer französischen Oper gefragt haben. Die von Charles Burney überlieferte Anekdote wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Wirkung der französischen Musik, die man im übrigen Europa als eine Fremdsprache empfand.
Natürlich hatte die Bordoni während dieser halben Stunde längst mehrere Sologesänge gehört, diese aber nicht als Arien wahrgenommen, wie sie sie aus der italienischen Opera seria gewohnt war. Auch uns heute geht es kaum anders. Das dunkle Jahrhundert vor Mozart hat sich bis zu Monteverdi zurück wenigstens partiell aufgehellt, der Ruhm Händels erstrahlt fast schon wieder wie zu seinen Lebzeiten, aber Jean-Baptiste Lully, der Begründer der französischen Tragédie en musique und Jean-Philippe Rameau, ihr Vollender, sind Namen, denen man nach wie vor selten auf der modernen Bühne begegnet.
Das Phänomen ist für das 18. Jahrhundert fast noch erstaunlicher als für die Gegenwart. Ganz Europa stand damals im Zeichen der französischen Kultur, die sich im Gefolge ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Jahrbuch 2014
Rubrik: Jean-Philippe Rameau, Seite 72
von Uwe Schweikert
Sein Koch verstehe mindestens so viel vom Kontrapunkt wie Gluck, soll Georg Friedrich Händel gespottet haben, als der böhmische Komponist in London auftauchte und der italienischen Oper mit seinem Pasticcio «La caduta de’ giganti» im King’s Theatre Anfang 1746 neues Leben einzuhauchen versuchte. Nun war Händels Koch im Hauptberuf eigentlich Sänger, was die...
Willensstark und tatkräftig sind sie, aber in ihrer Seele verwirrt, tief verletzt – ob sie Wotan oder Sachs heißen, Posa oder Amonasro, ob sie Namen wie Scarpia, Mandryka oder Wilhelm Tell tragen. Sie alle sind nur Kunstfiguren auf hölzernen Theaterbrettern. Aber wenn Michael Volle diese Figuren verkörpert, werden hinter den Rollen all die schwankenden Existenzen...
Er war nicht der Einzige, der das tradierte Regelwerk der Opera seria in Frage stellte. Und er war auch nicht der Erste, der Anstoß nahm an einer erstarrten Opernpraxis, die nur noch Anlässe für virtuosen Ziergesang zu suchen schien. Schon gar nicht hat Christoph Willibald Gluck, vor 300 Jahren, am 2. Juli 1714, im oberpfälzischen Erasbach geboren, die Oper neu...