Matthias Klink als Gustav von Aschenbach in «Death in Venice» an der Oper Stuttgart; Foto: Oper Stuttgart

Der Abgründige

Neue Rollen hat er stets mit sicherem Instinkt für die Entwicklung der Stimme ausgewählt. Und sich so in einem Repertoire von Mozart über Strauss bis Mark Andre höchste Anerkennung erarbeitet. Als Brittens Aschenbach setzt der Stuttgarter Tenor Matthias Klink Maßstäbe. Der «Sänger des Jahres» im Porträt

Opernwelt - Logo

Verwirrung der Gefühle. Auf Venedigs Stegen und Brücken folgt Gustav von Aschenbach Tadzio und seiner Familie auf dem Weg durch die labyrinthische Serenissima, schaut dem Jüngling mit den langen Beinen nach, dem er, über sich selbst verwundert, verfallen ist – jedenfalls in Demis Volpis Stuttgarter Inszenierung von Benjamin Brittens «Death in Venice». Matthias Klinks Aschenbach ist kein alter Mann, sondern ein im Leben stehender, viriler Künstler.

Der 48-Jährige gestaltet diese Passion nicht als peinliche Altersnot; sein athletischer Körper scheint von der Krankheit zum Tode unberührt, als könne er es mit der tänzerischen Leichtigkeit Tadzios jederzeit aufnehmen. In einem Moment begegnen sich beide, getrennt durch eine Milchglasscheibe, zögernd legt Klink die Hand auf das Schattenbild – mit dieser Geste verführt er den Zuschauer dazu, an seinen seelischen Verwirrungen teilzunehmen. Der erstickte Ausbruch «I love you», der den ersten Akt von Brittens letzter Oper beschließt, bekommt durch die vorangehende szenische Metapher überwältigende Dichte. Dass Matthias Klink später in der Koproduktion von Stuttgarter Ballett und Opernsparte der Württembergischen Staatstheater in einer kurzen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Jahrbuch 2017
Rubrik: Sängerin und Sänger des Jahres, Seite 18
von Götz Thieme

Weitere Beiträge
Vom Himmel hoch

Luthers Wittenberger Thesenanschlag hallt bis heute nach. Nicht zuletzt auf der Opernbühne. Immer wieder
hat die vor 500 Jahren formulierte reforma­torische Idee von der Freiheit des (Christen-)Menschen Komponisten beschäftigt. Aber auch deren Perver­tierung: Gewalt und Terror im Namen Gottes, etwa in Gestalt der Münsteraner Wiedertäufer. (Protestantischer) Glaube...

Offen für alle

In der schwarzen Theaterhöhle von Jean Nouvel hat die Zukunft längst begonnen. Vor der Tür steppt die Breakdance-Szene, drinnen findet man das vermutlich jüngste Ballett- und Opern­publikum der Welt. Egal, ob Monteverdi, Strauss und Wagner oder mal wieder ein brandneues Stück läuft. Dass die Opéra de Lyon in der Stadt zwischen Rhône und Saône heute talk of the town...

Woher, wohin, warum? Was bleibt von 2016/17?

Vor drei Jahrzehnten, kurz vor dem Mauerfall und Ende der Nachkriegsordnung in Europa, prägte der Soziologe Ulrich Beck einen Begriff, der bis heute einen Nerv trifft: Risikogesellschaft. In seiner gleichnamigen, 1986 veröffentlichten Studie beschrieb er eine fundamentale Wende im «Projekt der Moderne»: von der Idee stetigen Fortschritts und grenzenlosen Wachstums...