Matthias Klink als Gustav von Aschenbach in «Death in Venice» an der Oper Stuttgart; Foto: Oper Stuttgart
Der Abgründige
Verwirrung der Gefühle. Auf Venedigs Stegen und Brücken folgt Gustav von Aschenbach Tadzio und seiner Familie auf dem Weg durch die labyrinthische Serenissima, schaut dem Jüngling mit den langen Beinen nach, dem er, über sich selbst verwundert, verfallen ist – jedenfalls in Demis Volpis Stuttgarter Inszenierung von Benjamin Brittens «Death in Venice». Matthias Klinks Aschenbach ist kein alter Mann, sondern ein im Leben stehender, viriler Künstler.
Der 48-Jährige gestaltet diese Passion nicht als peinliche Altersnot; sein athletischer Körper scheint von der Krankheit zum Tode unberührt, als könne er es mit der tänzerischen Leichtigkeit Tadzios jederzeit aufnehmen. In einem Moment begegnen sich beide, getrennt durch eine Milchglasscheibe, zögernd legt Klink die Hand auf das Schattenbild – mit dieser Geste verführt er den Zuschauer dazu, an seinen seelischen Verwirrungen teilzunehmen. Der erstickte Ausbruch «I love you», der den ersten Akt von Brittens letzter Oper beschließt, bekommt durch die vorangehende szenische Metapher überwältigende Dichte. Dass Matthias Klink später in der Koproduktion von Stuttgarter Ballett und Opernsparte der Württembergischen Staatstheater in einer kurzen ...
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Opernwelt Jahrbuch 2017
Rubrik: Sängerin und Sänger des Jahres, Seite 18
von Götz Thieme
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