Auf Schwingen, unterm Flügel

Die Stuttgarter Hugo-Wolf-Akademie blickt aufs deutsche Lied nach 1945 und lotet mit zwölf Uraufführungen seine Zukunft aus

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Gewiss muss die Tante tot sein, die man beerben will; doch vorher schon kann man sich sehr genau im Zimmer umsehen.» Als Ernst Bloch in «Erbschaft der Zeit», veröffentlicht 1935, das untergehende Bürgertum analysierte, plädierte er für eine genaue Prüfung der «Elemente» bürgerlicher Errungenschaften: Wer weiß, ob nicht Erbstücke darunter sind, die für eine künftige Gesellschaft brauchbar wären.

Ideologisches hatte die Stuttgarter Hugo-Wolf-Akademie für Gesang, Dichtung, Liedkunst gewiss nicht im Sinn, als sie Mitte März in der Musikhochschule ein viertägiges Liedfestival ausrichtete. Doch im Kern ging es genau um das Spannungsfeld, das der eingangs zitierte Satz charakterisiert: Wie steht es um diese exemplarisch bürgerliche Gattung, was gehört zum absterbenden Rest einer Tradition, welche Errungenschaften kommen einem frischen Voran gelegen?

Das von der Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt «Sind noch Lieder zu singen?», das sein Motto einem Paul-Celan-Gedicht entliehen hatte, präsentierte neben Workshops und Diskussionen Uraufführungen von Carola Bauckholt, Carsten Hennig, Gordon Kampe, Bernhard Lang, Jan Masanetz, Alexander Muno, Steffen Schleiermacher, Martin Smolka, ...

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Opernwelt Mai 2015
Rubrik: Magazin, Seite 86
von Götz Thieme

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