Apropos ... Radames: Salvatore Licitra

Für seine Treue zu Verdis Partituren hat Salvatore Licitra schon einiges einstecken müssen: Die Fans in der Mailänder Scala beispielsweise reagierten empört, als der Sizilianer im «Trovatore» das gewohnte hohe C wegließ. Doch Licitra kämpft weiter unerschrocken für den echten Verdi - auch in seiner Paradrolle, dem Radames, den er nicht nur an der Met und an der Scala, sondern auch in der Münchner Neuproduktion der «Aida» singt. Premiere der Inszenierung von Christof Nel ist am 8. Juni.

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Herr Licitra, den Radames singen Sie allein in diesem Jahr 26-mal. Wird Verdi da nicht irgendwann zur Routine?
Selbst wenn ich mich drei Stunden in der Garderobe einsinge, ist es jedes Mal wieder etwas völlig anderes, sobald ich auf die Bühne muss. Die Gegenwart von zweitausend Menschen ändert die psychologische Situation total. Außerdem ist Radames einfach eine verteufelt schwere Rolle – vor allem, wenn man singt, was Verdi geschrieben hat.

Zum Beispiel das Diminuendo auf dem hohen B am Ende von «Celeste Aida», das die meisten Ihrer Kollegen einfach ignorieren.
In gewisser Weise verstehe ich das sogar, denn das Publikum versteht es oft nicht, wenn man dieses Diminuendo macht. Selbst Carlo Bergonzi bekam nur Höflichkeitsapplaus, wenn er das gesungen hat. Der Geschmack der Leute ist da leider verdorben – die meisten lassen sich von Gebrüll beeindrucken und machen sich keine Gedanken über die musikalischen Zusammenhänge. Das ist ähnlich wie im «Troubadour», wo alle auf das hohe C am Ende von «Di quella pira» warten. Obwohl dieses C gar nicht von Verdi ist und harmonisch nicht dorthin passt.

Und wie reagiert man auf solche Erwartungshaltungen?
Mit Kompromissen, die von Aufführung zu ...

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Opernwelt Juni 2009
Rubrik: Salvatore Licitra, Seite 71
von Jörg Königsdorf

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