Apotheose via Warenlift

Monteverdi: L’Orfeo Bern / Stadttheater

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Der Weg zu «Orfeo» und in die Hölle ist mit festlichen Klängen gepflastert. Er führt vorbei an bleichen Russen, die vor hell erleuchteten Restaurants auf dem Akkordeon ihre Bach-Toccaten und auf der Treppe zum Theater im Bläserquintett virtuose Opern-Arrangements spielen. Im Foyer warten schon die Blechbläser der Camerata Bern, die Monteverdis Eingangstoccata ebenso gut spielen wie die Russen vor der Tür ihren Rossini. Der Alltag dringt durch alle Ritzen dieses «Orfeo», auch in den pastoralen Lustbarkeiten des ersten Akts.

Statt auf eine arkadische Schäferidylle blickt man auf den von Marsha Ginsberg als Künstleratelier eingerichteten Innenraum eines heruntergekommenen Renaissance-Palastes, wo Orfeo zur wilden Hochzeitsparty geladen hat. Frank Lichtenberg hat die Feiernden in weiße, diskret nach der Mode der Roaring Twenties geschnittene Kleider gesteckt und bunte karnevaleske Kostüme daruntergemischt. Es wird getrunken, gerammelt und gelacht, und mittendrin steht etwas unbeholfen der Gastgeber herum.

In der imposanten Gestalt von Uwe Stickert gleicht er mehr einem wilhelminischen Malerfürsten als einem von Liebessehnsucht verzehrten griechischen Hirten. Musikalisch jedoch kommt ...

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Opernwelt Mai 2015
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Max Nyffeler

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