Ästhetik des Widerstands
Zu den Schriftstellern, die es wagten, Unerträgliches, konkret: das in zwei Weltkriegen und dem Holocaust kulminierende Inferno des 20. Jahrhunderts zu thematisieren, gehört Peter Weiss. Im November wäre er einhundert Jahre alt geworden. Im schwedischen Exil überlebend, hinterließ er vielfältige Texte, Gemälde, Zeichnungen und Experimentalfilme. Aber so wie er, zwischen Ländern, Sprachen, Genres wechselte, so ist er auch als Theaterautor mehrfach gepolt: zwischen Kasperle und Brecht auch Surrealismus, Artaud und Genet.
Es ist die Ästhetik von Schaubude und Grand Guignol: grotesk, makaber, alogisch und antipsychologisch – sinnverweigernd, später indes auf politische Agitation fixiert.
Innerhalb solch buntscheckiger Dramaturgie ist immer wieder Platz für Musik, als Scharnier oder Ferment; doch zur Literaturoper taugen die Stücke kaum. So ist es kein Zufall, dass gerade der Horror-Topos schlechthin, Auschwitz, zwei überragende Künstler zusammenführte: Peter Weiss und Luigi Nono. «Die Ermittlung – Oratorium in 11 Gesängen» ist kein Stück fürs Theater, tendiert eher zur schier hörspielhaften dokumentarischen Lesung, basierend auf den Protokollen des Frankfurter ...
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Opernwelt Januar 2017
Rubrik: Magazin, Seite 78
von Gerhard R. Koch
Seit einigen Jahren sind Anett Fritsch und Maria Bengtsson auf vielen Bühnen der Welt in Mozart-Partien zu erleben. Es lag nahe, dass die Sängerinnen für ihre ersten Solo-Alben auf dieses vertraute Repertoire zurückgriffen. Während Bengtsson sich ganz auf die Oper konzentriert, bezieht Fritsch auch zwei Konzertarien («Bella mia fiamma» und «Misera, dove son?»)...
Schottisches Hochland auf der Leinwand – gemalt, bühnenfüllend. Von der Seite nähern sich drei schwarze Gestalten mit leichenblassen Masken: die Hexen. Ihre langen, knöchernen Finger deuten nach vorne, in die Zukunft. Paukengrollen. Die Gestalten verschwinden. Sie werden wiederkommen – und das Unheil mit ihnen.
Schon im ersten Bild von Donizettis «Lucia di...
Seltsam, dass das im Nationaltheater München keiner komisch findet. Wenn die Solo-Posaune, drastisch vom b übers a und as zum g herabschmierend, postkoitale Erschlaffung illustriert und acht Takte später noch dreimal, im Gestus ähnlich, mit fallender Sekunde von versiegender Manneskraft quäkt. Es ist eine berühmt-berüchtigte Opernszene, unverstellt hat Dmitri...