Abschied von der Aufklärung
Mozarts «Zauberflöte» musste sich seit jeher die widersprüchlichsten Deutungen ihrer angeblich verborgenen Botschaft(en) gefallen lassen. Ist sie für die einen nur ein geradezu unsinniges, unlogisches, sich in seinen Widersprüchen verhedderndes «Machwerk», so für die anderen – zuletzt exemplarisch in Jan Assmanns großem, 2005 erschienenem «Zauberflöte»-Buch – ein freimaurerisches «Mysterium».
Laurenz Lütteken verabschiedet beide Sichtweisen und liest das Werk vor dem Hintergrund seiner Entstehung: dem Epochenbruch der französischen Revolution und ihrer Zuspitzung in einer Krise des österreichischen Sonderwegs der «von oben» gesteuerten Aufklärung, die mit dem Tod Josephs II. im Februar 1790 ihr Ende fand.
Ausgangspunkt für Lüttekens Überlegungen ist dabei zunächst nicht die Musik, sondern das wegen seiner Brüche und Ungereimtheiten vielgeschmähte Textbuch Emanuel Schikaneders, das Lütteken bis in seine Paratexte hinein ernst nimmt. Das Stück firmiert im Librettodruck wie auf dem Theaterzettel als «große Oper» – eine im 18. Jahrhundert singuläre Gattungsbezeichnung. Kein «vorstädtisches» Unterhaltungstheater also ist hier zu besichtigen, sondern ein Staats- und ...
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Opernwelt Juni 2024
Rubrik: CD, DVD, Buch, Seite 37
von Uwe Schweikert
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