Genau, sehr genau, unerbittlich genau
Man kann es aufregend oder niederschmetternd finden, bereichernd oder befremdlich. Fest steht jedenfalls, dass die aktuelle «Ring»-Produktion in Bayreuth durch auseinanderstrebende Kräfte gekennzeichnet ist. Und das in einer Weise, wie sie so extrem bei den Festspielen noch nie der Fall war. Was ist geschehen?
Zunächst die Inszenierung. Frank Castorf deutet den «Ring» nicht.
Er versucht nicht, mit hermeneutischem Tiefsinn irgendwelche neuen Details herauszufiltern, er horcht nicht hinein in die Musik, in ihre teils offenliegende, teils subkutane Motivstruktur, ihre ungewohnten Klangkombinationen, ihren Umgang mit der Zeit. Er stülpt stattdessen sein Castorf-Theater über den «Ring» – und bleibt sich damit treu. 1993, als seine erste Spielzeit an der Berliner Volksbühne zu Ende gegangen und das Haus glorreich auferstanden war, formulierte der Intendant eine Art Credo: «Ich komme aus dem Fußball, dem Rock-’n’-Roll, aus dem rausgebrüllten Unmut, aus der Neurose. Da sind die Kategorien zerbrochen. Ich glaube nicht an einen ästhetischen Rettungsversuch über Werktreue, über Selbstbeschneidung, über das tiefe Hineinhorchen in ein Kunstwerk, an diese Art Intensität aus dem poetischen ...
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Opernwelt Jahrbuch 2014
Rubrik: Dirigent des Jahres, Seite 16
von Stephan Mösch
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