#Metoo: Whistle while you work

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Peter Martins beim New York City Ballet, Jan Fabre in Belgien: Auch in der Tanzszene werden in Folge von #MeToo immer mehr Fälle von Machtmissbrauch, Gewalt und sexuellen Übergriffen bekannt. Frances Chiaverini und Robyn Doty wollen mit ihrer Initiative «Whistle While You Work» aufklären und den Betroffenen Gehör verschaffen. Mit Workshops waren sie  bislang u. a. in Frankfurt, Berlin, Los Angeles, Essen und New York zu Gast.

 

Wie definieren Sie Missbrauch?

Frances Chiaverini: Wir beginnen unsere Gespräche mit Tänzern, Choreografen, Lehrern und Künstlerischen Leitungen immer damit, was Missbrauch eigentlich ausmacht. Bis heute ist das im Kontext des Tanzes nicht klar definiert. Wir wollen denjenigen, die missbräuchlichem Verhalten ausgesetzt sind, die Chance geben, zu bestimmen, welche Bedingungen es sind, die sie verletzlich machen und welche Grenzen transparent werden müssen, um ihre körperliche und intellektuelle Arbeit zu schützen. Indem wir erst mit den Tanzenden sprechen und dann alle einbeziehen, die in der Verantwortung stehen, decken wir die Missverständnisse auf bezüglich unangemessenem Verhalten.

Wo finden im Tanz Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe statt?

Frances Chiaverini: Aufgrund des sehr engen und entmächtigenden Verständnisses von Disziplin, das im Tanztraining und in der Tanzkultur herrscht, sind Tanzprofis zwangsläufig gefährdet. Es gibt ein Einverständnis darüber, dass große Kunstwerke mit Leiden einhergehen. Belohnt wird die Bereitschaft, sich über zivilisierte Grenzen hinauszutreiben. Hinzu kommt, dass Tänzer viel zu selten von Choreografen gefragt werden, ob etwas für sie in Ordnung ist oder wie sie sich fühlen. Sie wachsen mit der Devise auf: Nix sagen, nix fragen. Wir geben ihnen die Möglichkeit, über ihre Erfahrungen zu reden und gehört zu werden.
Robyn Doty: Es gibt viel Unsicherheiten, nicht zuletzt, weil viele ihrer eigenen Wahrnehmung nicht trauen. 

Was müsste sich also verändern?

Robyn Doty: Es geht darum, gute, sichere Arbeitsumgebungen zu schaffen. Wir brauchen Interessenvertretungen für die prekär und häufig international arbeitenden Tänzer, die sich in ihnen unbekannten Kulturen und Sprachen bewegen und oft nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen, wenn Probleme auftreten. 

www.nobody100.com 



Tanz März 2019
Rubrik: Praxis, Seite 74
von Esther Boldt

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